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Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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wird wieder zu Kräften kommen.«
    Aber sie ignoriert mich. Sie bückt sich, schiebt die Arme unter die Achselhöhlen des Schatter-Mädchens, zieht es aus dem Becken und zerrt es rückwärts hinter sich her, sodass seine Hacken über den Boden schleifen. Doch das Schatter-Mädchen ist zu schwer. Nach wenigen Schritten lässt Sissy es wieder zu Boden sinken. Es grunzt leise.
    Ich hebe es auf und hieve es über die Schulter. Es lässt den Kopf an mein Schulterblatt sinken, seine Fangzähne sind beunruhigend nah. Weil ich die im Blick behalten will, drehe ich es um und wiege es schließlich in den Armen. Sein Gesicht wirkt unvermutet fragil. Lange schwarze Wimpern heben sich krass von dem weißen Gesicht ab. WeitererQualm steigt von seiner Haut auf, der widerliche Gestank verbrannten Fleischs steigt mir in die Nase.
    Wir stehen vor dem Ausgang. Durch den Türspalt fällt Tageslicht.
    »Vielleicht kommt es zu sich. Vor Schmerzen. Sei vorsichtig, behalte den Mund und die Zähne im Blick.«
    Sissy tritt neben mich und drängt sich an mich.
    »Ich habe die Arme fest gepackt«, sage ich. »Achte du auf den Mund und die Fangzähne …«
    »Alles klar«, sagt sie.
    Ich drücke das Schatter-Mädchen fest an die Brust und laufe auf die Doppeltür zu, die bei unserem Aufprall auffliegt und laut gegen die Außenmauer schlägt. Aber wir bleiben nicht stehen, sondern laufen weiter, auch als das Schatter-Mädchen sich in meinen Armen zu winden und seine Haut im grellen Licht der Sonne zu schmurgeln beginnt. Wir rennen schnell so weit wie möglich vom Immensarium weg, in dessen dunklem Innenraum das Schatter-Mädchen noch immer Zuflucht suchen könnte.
    Gebadet im Licht der frühen Morgensonne stößt es einen markerschütternden Schrei aus und fängt an, mit dem Kiefer zu schnappen, ein Geräusch wie berstender Marmor.
    Ich stolpere über einen Stein oder meine eigenen Füße, verliere den Halt, falle und reiße Sissy mit mir. Der winterharte Boden trifft mich wie eine Faust in den Magen. Ich schnappe gekrümmt nach Luft und merke kaum, dass sich das Schatter-Mädchen meinem Griff entwunden hat.
    »Gene!«
    Grinsend aufeinandergepresste Schneidezähne fliegen an mir vorbei. Ein verwischter Schatten huscht über mich hinweg, sein schlanker Körper macht einen Satz und läuft davon.
    Ich springe auf und stürze ihm nach. Es ist schnell, doch gehandicapt: Schon das Beinahe-Ertrinken hat es geschwächt, und nun setzen ihm die Strahlen der Sonne gnadenlos zu. Es wird dramatisch langsamer und stolpert, seine Beine werden weich wie Butter in der Pfanne, die Knochen zu Gelatine. Sein Körper erschlafft und verliert rasch die Kontur, während Muskeln und Skelett verkohlen.
    Ich werfe mich auf das Schatter-Mädchen und reiße es zu Boden. All seine Widerstandskraft ist erlahmt. Ich hocke rittlings über ihm, drücke seinen Kopf nach unten und drehe seine langsam schnappenden Zähne zur Seite. Meine Hände sinken in seinen Schädel ein, der jetzt weich ist wie ein gekochtes Ei.
    Und dann ist das Schatter-Mädchen völlig wehrlos. Kein Muskel ist mehr übrig, um eine Gliedmaße zu bewegen, kein Verlangen zu leben und zu fressen. Seine sich langsam hebende und senkende Brust ist schwach wie der Seufzer eines Kaninchens. Es schrumpft vor meinen Augen, nur seinem dichten rabenschwarzen Haar kann die Sonne nichts anhaben. Es ist vorbei.
    Und trotzdem flüstert und murmelt es noch.
    Sissy kniet sich neben mich.
    »Pass auf seine Fangzähne auf!«, warnt sie mich.
    »Schon gut, schon gut, es ist erledigt.«
    Als wollte es gähnen, klappt das Schatter-Mädchen den Mund plötzlich weit auf und präsentiert eine Reihe scharfer Schneidezähne. Sein Kiefer bebt und zittert. Ein leiser kratzender Laut kommt heraus.
    »S-s-so…«, versucht es zu flüstern.
    Sissy und ich sehen uns fragend und entsetzt an.
    »S-s-so…«, murmelt es kaum hörbar.
    Ich halte mein Ohr näher an seinen Mund.
    »Nicht, Gene. Es ist ein Trick …«
    Ich stoße ihre Hand weg. »Alles okay«, sage ich flüsternd, aber nicht zu Sissy. »Es ist gut. Es ist vorbei.« Und ich beuge mich weiter nach unten, bis mein Ohr an seinen Lippen ist.
    Es saugt einen letzten Atemzug ein, die Augen aufgerissen wie zwei offene Münder. In diesem Moment fällt mir sein Arm auf oder das, was davon übrig ist. Fünf Brandmale schmelzen unter der Sonne.
    Und schließlich spricht es sein letztes Wort.
    »Sorry«, sagt es.
    Und dann schließt es die Augen.
    Wir sagen nichts. Ich lege meine Hand auf das

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