Die Jagd beginnt
Selbst diejenigen, die sich vor ihm verbeugten, taten das, ohne deshalb stehen zu bleiben.
Würde irgendeiner von ihnen beim Servieren zufällig hören, dass man ihn suchte, und erzählen, er habe ihn gesehen? Mit einer Aes Sedai sprechen und ihr sagen, wo er zu finden sei? Mit einem Mal schien ihn jeder genau und mit Hintergedanken zu mustern, abzuwägen und heimlich zu rechnen. Selbst die Kinder waren in seiner Vorstellung mit Vorsicht zu genießen. Er wusste, dass er sich das alles nur einbildete – er war ganz sicher, es konnte nicht anders sein, oder? –, aber als er die Quartiere der Diener hinter sich ließ, fühlte er sich einer Falle entronnen.
Einige Bereiche der Festung waren menschenleer. Die Leute, die normalerweise hier arbeiteten, waren in einen überraschenden Feiertag entlassen worden. Die Werkstatt des Rüstungsschmieds stand leer, die Feuer waren heruntergebrannt, und die Ambosse schwiegen. Still. Kalt. Leblos. Aber trotzdem irgendwie nicht ganz leer. Wieder eine Gänsehaut. Er wirbelte herum. Niemand da. Nur die großen Werkzeugtruhen und die gefüllten Ölfässer. Seine Nackenhaare sträubten sich, und wieder fuhr er blitzschnell herum. Die Hämmer und Zangen hingen ruhig auf ihren Plätzen an der Wand. Zornig sah er sich in dem großen Raum um. Es ist niemand hier. Das ist nur meine Einbildung. Dieser Wind und die Amyrlin – das ist genug, um sich die wildesten Sachen einzubilden.
Im Hof der Waffenschmiede umspielte ihn der Wind einen Moment lang. Unwillkürlich fuhr er zusammen und glaubte, er wolle ihn fangen. Im ersten Augenblick roch er den schwachen Duft der Verwesung und hörte jemanden hinter sich hinterhältig lachen. Doch nur diesen einen Augenblick lang. Voller Angst schob er sich im Kreis außen um den Hof herum und sah sich dabei misstrauisch um. Der mit roh behauenen Steinen gepflasterte Hof war leer. Nur deine verdammte Einbildung! Er rannte fort und glaubte, hinter sich wieder dieses Lachen zu hören, diesmal ohne die Begleitung des Windes.
Im Hof des Holzlagers fühlte er, wie ihn Augen hinter hohen Stapeln von Feuerholz hervor und unter den langen Schuppen heraus verfolgten und dann über die Stapel von lang gelagerten Brettern und Balken wegspähten, die auf der anderen Seite des Hofs gegenüber der Zimmermannswerkstatt lagen. Die Werkstatt war nun verschlossen. Diesmal wollte er sich nicht umsehen, wollte nicht darüber nachdenken, wie sich ein Augenpaar so schnell von einem Ort zum anderen fortbewegen und den offenen Hof vom Feuerholzschuppen bis zum Balkenlager überqueren konnten, ohne dass er auch nur den Hauch einer Bewegung entdeckte. Er war sicher, dass es sich um ein einziges Augenpaar handelte. Einbildung. Oder vielleicht werde ich auch bereits verrückt. Ihn schauderte. Noch nicht! Licht, bitte noch nicht! Steif marschierte er über den Hof, und der unsichtbare Beobachter folgte ihm.
Ob in langen Korridoren, die nur von ein paar Binsenfackeln notdürftig erhellt wurden, oder in Lagerräumen voller Säcke mit getrockneten Erbsen oder Bohnen, mit Lattenregalen, auf denen Haufen eingeschrumpelter Zwiebeln und Rüben lagen, oder voller Weinfässer und Fässer mit Salzfleisch und Bierfässer – immer waren auch die Augen da. Manchmal folgten sie ihm, und manchmal erwarteten sie ihn, wenn er eintrat. Er hörte nie einen anderen Schritt als den seinen, hörte nie eine Tür knarren, außer, er selbst öffnete oder schloss sie, aber die Augen waren da. Licht, ich werde wirklich verrückt.
Dann öffnete er die Tür zu einem weiteren Lagerraum, und ihm schlugen menschliche Stimmen, menschliches Gelächter entgegen, und er fühlte sich erleichtert. Hier würde es keine unsichtbaren Augen geben. Er trat ein.
Der halbe Raum war bis zur Decke mit Getreidesäcken voll gestapelt. In der anderen Hälfte kniete eine Gruppe von Männern im Halbkreis vor einer kahlen Wand. Sie alle schienen die ledernen Schürzen und den runden Haarschnitt der einfachen Arbeiter zu tragen. Kein Haarknoten eines Kriegers, keine Livree. Keiner, der ihn unabsichtlich verraten konnte. Und was ist mit ›absichtlich‹? Durch ihr leises Gespräch klang das Klappern von Würfeln. Irgendjemand lachte schallend über einen Wurf.
Loial sah zu, wie sie würfelten, und rieb sich gedankenschwer mit einem Finger über das Kinn, der dicker war als der Daumen eines großen Mannes. Sein Kopf berührte beinahe die Dachsparren in zwei Spannen Höhe. Keiner der Spieler beachtete ihn. Ogier waren in den
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