Die Jagd des Adlers
aum dass die Sonne aufgegangen war und die Mauern der Festung Antonia in einen warmen, rosigen Schimmer tauchte, bereitete sich die kleine Kolonne darauf vor, die Stadt zu verlassen. Die Luft war kühl nach der Hitze des vergangenen Tages, und Macro genoss ihre Frische, während er den Sitz seiner Taschen überprüfte, die am Knauf seines Sattels befestigt waren. Wie jeder Soldat in den Legionen hatte er reiten gelernt, doch er misstraute Pferden noch immer und mochte sie nicht. Er war ein ausgebildeter Infanterist, und aufgrund langer Erfahrung zog er die Gegenwart anderer Fußsoldaten vor – die überall im Reich unter der Bezeichnung »Marius’ Maulesel« bekannt waren. Trotzdem hatte er genügend Respekt vor der Gluthitze der Felsenlandschaft Judäas, um zu wissen, dass es viel beschwerlicher sein würde, zu Fuß nach Bushir aufzubrechen. So blieb ihm denn nichts anderes übrig, als zu reiten.
Er musterte die Schwadron Reitersoldaten, die die beiden Centurionen zur Festung begleiten sollte. Sie bestand aus griechischen Hilfstruppen, die in Caesarea angeworben worden waren. Seit Rom die direkte Kontrolle Judäas übernommen hatte, gab es keine Einheiten mehr, die aus einheimischen Soldaten bestanden. Die größtenteils aus nichtjüdischen Söldnern gebildete Armee von Herodes Agrippa war entwaffnet worden und hatte sich nach seinem Tod vor zwei Jahren in alle Winde zerstreut. Angesichts der ständigen Auseinandersetzungen kleiner und kleinster Gruppen innerhalb des Königreichs von Judäa waren die Verantwortlichen in Rom zum Schluss gekommen, dass es im höchsten Maße riskant wäre, aus Einheimischen bestehende Truppenteile aufzubauen und deren Mitgliedern Waffen in die Hand zu drücken. Darüber hinaus waren die eigentümlichen Anforderungen der lokalen Religion, zu denen zahlreiche Fastenperioden und Tage gehörten, an denen überhaupt nicht gearbeitet wurde, den üblichen Abläufen beim römischen Militär nicht gerade förderlich.
Macro ließ seinen erfahrenen Blick über die Reitersoldaten schweifen. Sie schienen kompetent, ihre Ausrüstung war in gutem Zustand, und ihre Tiere sahen gepflegt und gesund aus. Wenn es unterwegs irgendwelche Schwierigkeiten geben sollte, konnten er und Cato darauf vertrauen, dass diese Männer in der Lage wären, mit jedem Hinterhalt fertigzuwerden. Ein kurzer Sturmangriff, so hatte er den Eindruck, und jede Räuberbande stob davon wie ein Haufen aufgeschreckter Kaninchen. Er sah sich nach Cato um.
Sein junger Freund unterhielt sich mit ernster Miene mit ihrem Führer, und Macro kniff leicht die Augen zusammen. Centurio Florianus hatte den Mann zu ihnen geführt, als Cato und Macro eine Stunde vor Sonnenaufgang im spärlichen Licht der Öllampen mit dem Packen ihrer Satteltaschen beschäftigt waren. Symeon war groß, breitschultrig und etwa Mitte vierzig. Er trug eine schmucklose, aber saubere Tunika, Sandalen und eine Kufija mit einem reich verzierten Kopfband – sein einziges opulentes Kleidungsstück. Genau genommen hatte er auf seinem kleinen Pferd überhaupt nur wenig bei sich außer einem leichten Bündel zusätzlicher Kleider, einem dünnen Krummschwert, einem kurzen Kompositbogen und dem dazugehörigen Köcher samt der Pfeile. Er besaß ein angenehmes, rundes Gesicht und sprach fließend Griechisch. Sogar mehr als nur fließend, wie Macro klar wurde. Macro selbst beherrschte die Sprache nur sehr begrenzt; auf ihrer Reise von Ravenna hierher hatte er sich mit Catos Hilfe nicht mehr als einige Grundlagen angeeignet. Doch weil Griechisch angesichts der Sprachenvielfalt im östlichen Teil des Reichs die allgemein gebräuchliche Zweitsprache war, musste Macro wenigstens in der Lage sein, sich verständlich zu machen. Ihr Führer jedoch sprach mit makellosem Akzent. Die Wirkung war so überraschend, dass Macro dem Mann instinktiv misstraute. Und doch erschien Symeon ihnen gegenüber freundlich gesinnt; mit festem Griff und offener Art hatte er ihre Unterarme umfasst, als er ihnen vorgestellt wurde. Cato lächelte über eine Bemerkung, die ihr Führer gemacht hatte. Dann drehte er sich um und schlenderte hinüber zu Macro.
»Symeon hat mir den Weg zur Festung beschrieben.« Catos Augen funkelten aufgeregt. »Wir reiten in Richtung Osten nach Qumran an der Küste des Toten Meeres, überqueren dann den Jordan und folgen schließlich am gegenüberliegenden Ufer unserer Route hinauf in die Berge. Dort beginnt die Wüste, und dort liegt auch die Festung.«
»Wunderbar«,
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