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Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night

Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night

Titel: Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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»Ich will endlich loslegen. Hier ist die Kurzfassung, Andy: Wenn du auf jemanden schießen
musst, dann sieh zu, dass du ihm so viele Kugeln wie möglich in die Brust jagst. Schieß so lange, bis dein Magazin leer ist. Und wenn du ein guter Schütze bist, dann ziel gleich auf den Kopf, verstanden?« Sie sah Jack an. »Wie war die Lektion?«
    »Das dürfte für den Anfang wohl reichen«, sagte er. »Am besten, er versucht’s erst mal mit der .22er.«
    »Noch nicht«, sagte Sharon.
    »Was?«, fragte Dad.
    »Vielleicht sollten wir Andy erst fragen, ob er überhaupt lernen will, wie man schießt. Er ist in einer Familie aufgewachsen, die gegen Schusswaffen war. Wenn er also moralische Bedenken hat, sollten wir ihn nicht zwingen …«
    »Du hast recht«, sagte Dad. »Daran habe ich nicht gedacht. Andy, was meinst du dazu?«
    »Ich will schießen lernen.«
    »Wirklich?«, fragte Sharon. »Deine Eltern hätten sicher nicht …«
    »Vielleicht hätte ich sie retten können, wenn ich eine Waffe gehabt hätte«, sagte er. »Und Evelyn auch.« Sein Kinn fing an zu zittern.
    Seine Augen waren hinter der neuen Sonnenbrille verborgen, doch Jody wusste, dass sie von Tränen erfüllt waren.
    Sharon ging auf ihn zu, doch dann fiel ihr ein, dass sie das Gewehr in den Händen hielt. Sie setzte eine hilflose Miene auf.
    Jody legte die Arme um den weinenden Jungen. »Ist schon gut«, flüsterte sie.
    Er versuchte, sie von sich zu drücken, aber sie umarmte ihn nur noch fester. Seine Sonnenbrille stieß gegen ihren Hals und fiel zu Boden.

    »Ist schon gut«, sagte sie noch einmal.
    »Lass mich los. Ich will schießen.«
    »Du kannst nicht schießen, wenn du weinst.«
    »Ich weine ja gar nicht.«
    »Ach nein? Mein ganzes Hemd ist nass.«
    »Verflucht!«
    »Jeder weint mal«, sagte Dad. »Und du hast ja auch wirklich allen Grund dazu.«
    »Keine Sorge, bald bist du so gut wie Annie Oakley, die berühmte Revolverheldin.«
    Andy machte ein Geräusch, von dem man nicht wusste, ob es ein Lachen oder ein Weinen war. Jody konnte seinen heißen Atem durch den feuchten Hemdsstoff spüren.

38
    Jodys Vater nahm die kleine, stählerne Smith & Wesson in die Hand. Andy streckte den Arm danach aus. »Nicht so schnell, Sportsfreund.«
    »Die nächste Lektion«, murmelte Jody.
    Andy zuckte mit den Schultern. »Ist schon okay.« Er wischte sich über die Augen und setzte die Sonnenbrille wieder auf.
    »Das hier ist eine Halbautomatik«, erklärte Dad. »Was bedeutet, dass du den Hahn nicht nach jedem Schuss spannen musst. Nach dem ersten Schuss lädt sie so lange von selbst wieder nach, bis das Magazin leer ist. Du musst einfach nur den Abzug drücken, mehr nicht. Das ist das Prinzip einer Halbautomatik. Eine Vollautomatik dagegen feuert ständig, solange du den Abzug gedrückt hältst.«
    »Diese Waffen sind streng verboten«, sagte Sharon. »Allein der Besitz kann einen vors Bundesgericht bringen. Es sei denn, man hat eine Lizenz dafür.«
    »Was bedeutet, dass sich nur Verbrecher damit ausrüsten können«, sagte Jody.
    Dad grinste. »Stimmt genau.«
    Sie nickte.
    »Aber zurück zum Thema.« Er hielt die .22er hoch. »Eine kurze Begriffsklärung: Viele Leute bezeichnen eine solche Waffe als ›automatisch‹, aber das ist falsch. Es
ist eine Halbautomatik. Manchmal kürzen wir das Wort eben aus Bequemlichkeitsgründen ab.«
    »Was nicht korrekt ist«, fügte Sharon hinzu.
    »Aber fast jeder macht es. Also: automatische oder halbautomatische Waffen haben zwei Gefahrenquellen. Zum einen das Auswurffenster hier.« Er tippte mit dem Finger darauf. »In dem Augenblick, in dem du die Kugel abfeuerst, kommt die Patronenhülse hier herausgeschossen. Und zwar verdammt schnell. Du passt also besser auf, wenn du rechts von jemandem stehst, der gerade mit so einer Pistole schießt. Sonst kriegst du ein glühend heißes Stück Messing ins Gesicht.«
    Andy sah ihn zweifelnd an. »Tut das wirklich so weh?«
    »Könnte dich das Auge kosten«, sagte Jody, wobei sie einen kauzigen alten Mann imitierte.
    »Behalt einfach die Sonnenbrille auf«, sagte Sharon. »Die Hülsen aus einer .22er werden dir kaum was anhaben können. Aber ein größeres Kaliber kann ziemlich schmerzhaft sein und dich sogar verletzen.«
    »Eine Patronenhülse ist nicht tödlich«, sagte Dad. »Doch jeder vernünftige Mensch versucht ja, Schmerzen nach Möglichkeit zu vermeiden. Also pass immer auf das Auswurffenster auf. Bei einem Revolver musst du dir keine Gedanken machen. Da bleiben die leeren

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