Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night

Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night

Titel: Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
Vom Netzwerk:
draufsprechen könnte. Ich muss mich also echt zusammenreißen, damit ich nicht einfach munter drauflosplappere.
    Das Problem ist, dass ich ja alles erzählen will.
    Das ist ein ziemlich großes Problem, in mehr als nur einer Hinsicht.
    Wo war ich? Soll ich noch mal zurückspulen? Nein. Ich saß oben auf der Mauer. Genau.
    Wie gesagt, Tom will, dass die Krulls unser Geheimnis bleiben. Er wird alles riskieren, nur um das Mädchen und den Jungen zu töten.
    Und mir war gerade die Idee gekommen, ihn anzulügen und zu sagen, dass sie in eines der Häuser gerannt wären.
    Ein guter Trick, um so schnell wie möglich abhauen zu können.
    Einen Versuch war es wert.
    Doch gerade als ich von der Mauer springen wollte, hörte ich ein knirschendes Geräusch, das in einen dumpfen Schlag mündete.
    Ich dachte zuerst an die Schiebetür von Toms Lieferwagen. Vielleicht hatten sie inzwischen die Leichen verladen und kamen gleich rüber, um mir beim Suchen zu helfen.
    Doch dann hörte ich, wie schnell hintereinander mehrere Autotüren zugeschlagen wurden. Bamm bamm bamm bamm. Und gleich darauf wurden Motoren angelassen.
    Mir rutschte das Herz in die Hose.
    Ich sprang von der Mauer und rannte auf das Haus zu.
    Ich war etwa fünf Sekunden lang unterwegs, als zwei weitere Dinge geschahen: Die Motorengeräusche wurden leiser, und hinter dem großen Panoramafenster im Haus der alten Hexe schlugen Flammen hoch.
    Doch das hielt mich nicht auf.
    Das Feuer versperrte mir die Abkürzung durchs Haus, deshalb rannte ich drum herum und musste mich auch noch mit dem Gartenzaun abplagen. Als ich dann endlich die Straße erreicht hatte, waren meine Kumpels spurlos verschwunden.
    Wir waren mit dem Lieferwagen und fünf Autos gekommen. Chuck war mit mir gefahren. Ich habe ihn mit meinem Mustang bei sich zu Hause abgeholt (vorher hatte ich natürlich die Nummernschilder mit Klebeband unkenntlich gemacht). Wir ließen auf dem Weg hierher meinen mit Rum gefüllten Flachmann kreisen und rauchten ein paar von seinen Zigarren. Es war ein Riesenspaß, und trotz unserer Aufregung alberten wir herum. Als wir ankamen, ließ ich wie gewöhnlich den Zündschlüssel stecken. Chuck und ich waren ausgestiegen und zum Lieferwagen hinübergegangen.
    Jetzt war der Lieferwagen weg.
    Genau wie mein Mustang.
    Es gibt einen alten Film mit John Wayne namens Schnellboote vor Bataan . Es geht darin um Soldaten im Zweiten Weltkrieg (der Film wurde nachkoloriert, damit man den Duke mit grünen Lippen sehen kann). Als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, war ich noch ein Kind. Ich fragte meinen Vater, was es bedeutet, »entbehrlich« zu sein, wie es die Soldaten im Film waren. »Es bedeutet, dass es niemanden interessiert, ob sie leben oder verrecken«, sagte er.

    Aber »entbehrlich« bedeutet noch mehr.
    Man ist entbehrlich, wenn der Auftrag wichtiger ist als das Leben dessen, der ihn ausführt. Wichtiger für jemand anderen natürlich, nicht für einen selbst.
    Die Jungs, allen voran Tom, hatten also entschieden, dass ich entbehrlich war. Koste es, was es wolle, ich musste zurückbleiben und die beiden zur Strecke bringen.
    »Vielen Dank auch, ihr Arschlöcher«, murmelte ich.
    Dann schlug eine Flammensäule durch eines der Fenster im Erdgeschoss des Hauses, in dem wir die heutige Jagd begonnen hatten.
    Wir gehen immer nach der gleichen Methode vor: Leichen einladen, Häuser in Brand setzen und abhauen, bevor die Feuerwehr kommt.
    Aber bis heute hatten wir noch nie jemanden zurückgelassen.
    Ich bin ein echter Glückspilz.
    Ich rannte wie der Teufel in die Richtung, aus der ich gekommen war – sprang über den Zaun, lief am Haus und dem Pool vorbei zur Mauer.
    Als die ersten Sirenen ertönten, kauerte ich schon auf der dunklen Seite der Mauer.

9
    Ich blieb lange am oberen Ende des Abhangs stehen, presste den Rücken gegen die Mauer und lauschte. Ich hörte Sirenen, Türen, die zugeschlagen wurden, schreiende Männer, Megafone und die Funkgeräte in den Feuerwehrautos und Streifenwagen. Und ich hörte Krachen und Knistern und splitterndes Glas, die Geräusche eben, die Häuser so von sich geben, wenn sie vom Feuer verschlungen werden.
    Meine »Freunde«, die sich gerade vom Acker gemacht hatten, rechneten offenbar damit, dass ich den Abhang hinunterrennen würde, um die beiden umzubringen. Das war mein Auftrag. Deshalb hatten sie mich zurückgelassen.
    Es war eine Genugtuung, nicht dort hinunterzugehen.
    So behandelt man keinen Freund. Erst abhauen und dann noch erwarten,

Weitere Kostenlose Bücher