Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night
sie mich wohl nicht bemerkt. Sie blieb noch eine Weile stehen, dann ging sie in die Knie, um den Rest der Anhöhe hinaufzuklettern.
Plötzlich rannte sie wie vom wilden Affen gebissen los. Sie hatte alle Vorsicht über Bord geworfen und lief, was das Zeug hielt.
Ich rannte ihr hinterher.
Sie sprang an der Mauer hoch, packte die Oberkante und versuchte, darüberzuklettern. Sie schwang ihr rechtes Bein hinauf.
Doch ich würde sie schnappen.
Ich hatte sie.
Sie war schnell, aber nicht schnell genug. Ich war schneller.
Ihr linkes Bein gehörte mir.
Wenn ich es packen und sie von der Mauer herunterzerren konnte, gehörte sie mir ganz allein. Nicht nur ein Bein, sondern beide – und alles, was dazwischen und darüber war.
Sie gehörte mir!
Nur noch ein winziger Schritt trennte mich davon. Ich hatte bereits die Arme ausgestreckt, um nach ihr zu greifen. Und ich war vorsichtig. Noch einmal würde ich mich nicht ablenken lassen. Meine Gedanken waren ganz bei meiner Aufgabe und nicht bei ihrer Muschi. Jetzt zählte nur eins – ihren Fuß zu packen.
Doch irgendetwas packte vorher meinen eigenen Fuß. Eine Wurzel, ein Strauch oder sonst irgendein verdammtes Ding schlang sich um mein linkes Bein. Es fühlte sich an, als hätte ein Scheißcowboy sein Lasso um meinen Fuß geworfen und würde kräftig anziehen.
Ich erreichte sie tatsächlich – aber nur mit den Fingerspitzen, die an der Seite ihres Fußes entlangstrichen.
Dann fiel ich hin. Glücklicherweise behielt ich den Kopf oben, sonst wäre es noch schlimmer gekommen. Ich landete auf dem Bauch. Die Luft wurde aus meinen Lungen gedrückt, und einen Augenblick lang konnte ich mich weder bewegen noch atmen.
Endlich gelang es mir, mich auf den Rücken zu rollen.
Die Mauer war dunkel. Der Himmel war vom Feuer rot erleuchtet. Das Mädchen war weg.
Das überraschte mich nicht. Dass dann plötzlich auch noch der Boden verschwunden war, dagegen schon.
Ich musste direkt am Rand des Abhangs gelegen haben und rollte jetzt den Hügel hinunter. Erst ein Baum stoppte meinen Sturz, und da hatte ich den tiefsten Punkt schon fast erreicht. Jeder Körperteil schmerzte, und ich war mir nicht sicher, ob ich mich überhaupt noch bewegen konnte.
Schließlich rappelte ich mich auf und rannte los.
So, fürs Erste ist jetzt Schluss. Ich muss nämlich dringend mal pinkeln.
10
Hallo, ich bin’s wieder. Ich habe nicht nur meine Blase geleert, sondern mir auch noch ein Beck’s geholt.
Meine Gastgeber, Mr und Mrs Benedict Weston, sind ausnehmend freundlich. Ihre casa ist meine casa .
Ich war ziemlich lange weg, aber ich musste mich umsehen. Alles ruhig – zum Glück.
Also. Wo war ich?
Ach ja. Das Mädchen ist mir wieder mal entkommen.
Man könnte fast glauben, dass es der Wille des Schicksals ist, dass sie mir ständig entkommt. Ob mich eine höhere Macht hat stolpern lassen, als ich sie fast gehabt hätte?
Doch das Glück hat mich nicht völlig verlassen. Jedenfalls bis jetzt noch nicht. Das Schicksal – oder Gott – scheinen sich also noch nicht völlig auf ihre Seite geschlagen zu haben.
Ein paar Mal wurde es ziemlich eng, aber bis jetzt bin ich noch mal davongekommen.
Natürlich ist das Ganze noch nicht ausgestanden.
Hier bin ich zwar einigermaßen in Sicherheit, aber noch ist die ganze Sache nicht vorbei. Erst wenn ich diese Gegend hier hinter mir gelassen habe.
Wenn.
Und ist es dann wirklich vorbei?
Ich kann euch sagen, wann es für Mr und Mrs Benedict Weston vorbei war. Ihr Ende kam, als ich vor der
Mauer gestolpert bin. Die Wurzel, die das Mädchen gerettet hat, war ihr Todesurteil.
Genau.
Das Mädchen lebt, aber sie mussten ins Gras beißen.
Schon komisch – obwohl die Westons das alles wohl weniger komisch finden würden.
Es war so: Weil ich gestolpert bin, konnte sie über die Mauer entkommen. Und auf der anderen Seite wimmelte es nur so von Feuerwehrleuten und Cops, die inzwischen ziemlich neugierig geworden sein mussten. Zwei Häuser, die aus heiterem Himmel in Flammen aufgehen? Nur ein Idiot würde da auf einen Zufall tippen.
Die Cops stehen also da rum und fragen sich, was vor sich geht, als ein Mädchen angerannt kommt und ihnen erzählt, dass sie vor einer halben Minute ganz knapp einem bösen Mann entkommen ist. Wo das war? Gleich auf der anderen Seite der Mauer.
Die Cops waren mit Sicherheit bereits auf dem Weg, als ich noch den Abhang hinunterrollte.
Meine einzige Chance war, die Beine in die Hand zu nehmen und auf das Beste zu
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