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Die Jagd nach Millionen

Titel: Die Jagd nach Millionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David C. Murray
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gottverlassenen Ort gesehen. Sie erfragte ihren Weg, und
die weiche Altstimme wie die gebildete englische Betonung, die sie
nicht abzulegen vermochte, fielen der Frau, an die sie sich gewendet
hatte, sichtbar auf. Trotzdem erfuhr sie das Nötigste und
gelangte in eine Straße mit Läden, wo sie sich einen
Briefbogen, Umschläge, ein kleines Tintenfaß, eine
Feder und eine Postmarke kaufte. Die stattlichen Gasthäuser
flößten ihr Unbehagen ein, auch mußte sie ja
fürchten, in dieser Ausrüstung gar nicht aufgenommen
zu werden, und so wanderte sie weiter auf der Suche nach einer
bescheidenen Wirtschaft, wo sie etwas zu sich nehmen und ihren Brief
schreiben könnte. Schließlich fand sie auch etwas
Passendes und trat in eine unsaubere Wirtsstube, wo zwei Neger kalten
Braten und Bier vertilgten. Ihre eigene Mahlzeit fiel billig und
reichlich, wenn auch nicht gerade einladend aus, und kaum hatte sie ein
paar Bissen gegessen, so schob sie den Teller weg und begann zu
schreiben:
    »Lieber Herr Prickett!
    Ich sagte Ihnen, daß ich alles
daran setzen werde, Ihre gute Meinung wieder zu gewinnen, und hoffe,
dieses Ziel nun erreicht zu haben, denn es ist mir gelungen, eine
Entdeckung von höchster Wichtigkeit zu machen. Meine erste
That war ein Mißgriff, um so mehr will ich mich
bemühen, keinen zweiten zu machen. Aber ich bitte Sie
dringend, keinen Augenblick zu zögern, wenn Sie in den
nächsten Tagen ein Telegramm von mir erhalten. Es wird nichts
enthalten als die Worte: ›Glücklich angekommen,
Harcourt,‹ soll Ihnen aber sagen, daß ich mindestens
einen von den Gesuchten gefunden habe. Ich sage Ihnen nicht, wo und
weshalb ich sie zu treffen hoffe, weil ich Sie nicht von Ihrer eigenen
Bahn ablenken möchte. Sie dürfen sich darauf
verlassen, daß ich weder einen zweiten Mißgriff
machen, noch ein zweites Mal erkannt werden werde.
    Ihre
ergebene
Marie Harcourt.«
    Sie überschrieb den Brief an Inspektor Prickett zu
Händen der Polizeibehörde von Vancouver und bemerkte
nun aufblickend, daß die beiden Neger Essen und Trinken
vergessen hatten über ihrem Anblick. Erschrocken
überlegte sie, was ihnen wohl so auffallend an ihr sein
könne, als der eine ihr mit freundlichem Grinsen Klarheit
darüber gab.
    »Geschickte Junge, bis dich,« sagte er,
seine blendend weißen Zähne zeigend, »bis
dich Schule gewesen, gelt?«
    Also nur ihr sicheres, rasches Schreiben hatte die harmlosen
Schwarzen interessiert! Beruhigt nickte sie ihnen lächelnd zu,
dann aber fiel ihr ein, daß sie ja einen Jungen vorstelle und
daß ihre Handschrift eine ausgesprochen weibliche sei, und so
verdeckte sie unwillkürlich die Aufschrift des Briefes. Damit
war ein sehr unbedeutender Zwischenfall erledigt, der ihre Nerven aber
ganz unverhältnismäßig erregt und
angegriffen hatte. Jetzt bezahlte sie ihre Zeche, wobei sie sich
Mühe gab, nicht viel von ihrer Barschaft sehen zu lassen,
hatte aber wieder einen Schrecken, weil der Mann, der das Geld in
Empfang nahm, neugierig auf ihre Hände schielte. Für
ein junges Mädchen und für ihren Wuchs waren sie zwar
nicht ungewöhnlich klein, aber für einen Jungen und
einen Jungen der Gesellschaftsklasse, zu der sie dem Anzug und der
Hautfarbe nach gehören mußte, allerdings auffallend.
Sie waren gut gepflegt, wenn auch nicht mehr als für eine Dame
selbstverständlich ist, und daß sie nicht an grobe
Arbeit gewöhnt waren, war unverkennbar.
    Ob der Mann diese Beobachtungen wirklich angestellt hatte,
oder ob sie sich's nur einbildete, genug, die Wirkung war die gleiche.
Verwirrt und ängstlich verließ sie die Kneipe, und
als sie aus einiger Entfernung einen Blick zurückwarf,
mußte sie auch noch gewahren, daß alle drei
Männer unter der Hausthüre standen und ihr nachsahen.
Die Angst vor polizeilicher Verfolgung erfaßte sie derart,
daß sie mit schlotternden Knieen davoneilte; alle Zuversicht
und Unbefangenheit hatte sie eingebüßt und vor jedem
zufälligen Blick erbebte sie. So schrecklich dieser Zustand
auch war, sie hatte sich nun einmal eine Aufgabe gestellt und
mußte sie vollenden. Ihr Herz blutete für den Vater
und empörte sich gegen den Schurken, der ihn verraten hatte
und jetzt berauben wollte, und in ihrer Einbildung wuchs der so
ungewisse Schatz ins Riesenhafte. Er war ihres Vaters Eigentum, nur
dieser sollte ihn haben. Diese Gedanken stärkten ihre
Willenskraft und spornten ihren Mut.

Fünfzehntes Kapitel
    Wieder

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