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Die Jagd nach Millionen

Titel: Die Jagd nach Millionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David C. Murray
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rollte Marie Harcourt im Auswandererwagen
westwärts. Als der Zug das ebene Land verlassen hatte und sich
auf die Paßhöhe von Selkirks hinaufarbeitete, kam man
mitten in den Winter. Berge und Hügel waren vom Scheitel bis
zum Fuß mit Schnee bedeckt, nur die mächtigen
Bäume bildeten tiefgrüne Punkte in dem
eintönigen Weiß, und die Bergströme
führten ihre rauschenden Wasser noch ungehemmt zu Thal. Marie
war weit gereist, aber sie hatte nie etwas Großartigeres
gesehen als dieses gewaltige Felsengebirge, dessen schroffe Bergmassen
bedrückend, beängstigend wirkten. Ruhig und
unbeachtet saß sie in ihrem Eckchen und der Zug rollte weiter
und weiter, als ob es in alle Ewigkeit so fortgehen sollte.
    Die zwei Goldsucher von San Francisco waren wieder im selben
Wagen und einer davon erkannte auch den Mulattenjungen wieder und
redete ihn in seiner Weise freundlich an, erhielt aber nur ein
zaghaftes Lächeln als Antwort, womit er sich gern zufrieden
gab. Der Rotbärtige reiste im Salonwagen, kam aber von Zeit zu
Zeit zu seinen Untergebenen herüber, um die bevorstehenden
Wagnisse zu besprechen. Keinem fiel es ein, den Zweck der Reise
geheimzuhalten, und mitunter beteiligten sich Mitreisende, die nur
kurze Strecken zu fahren hatten, am Gespräch, und dann
entstanden lange, eifrig geführte Erörterungen
über die Ausführbarkeit des Unternehmens zu dieser
Jahreszeit. Einer war dann immer überzeugt, daß es
rein unmöglich, ein andrer, daß es Kinderspiel sei,
und Marie hörte diese Streitfrage wohl ein dutzendmal
abwägen. Die Belehrungen, die sie aus diesen
Gesprächen zog, und die schweigende Weisheit, die ihr die
schneebedeckten Bergriesen predigten, ließen ihr das
Unternehmen immer abenteuerlicher, immer grauenvoller erscheinen. Alle
Welt schien ja den Gedanken toll zu finden oder schüttelte
wenigstens bedenklich den Kopf dazu, nur der Goldsucher, der Klondyke
kannte, ließ sich in seiner Zuversicht nicht irre machen.
    »Warum gehst du denn überhaupt
mit,« fragte er den Genossen, »wenn du nicht glaubst,
daß wir's zu stande bringen?«
    »Weil der Lohn gut ist,« gab dieser zur
Antwort. »Wenn's nicht geht, wird man's schon merken und
umkehren.«
    »So, wenn wir aber stecken bleiben im Eis?«
fragte der andre, um ihn zu verhöhnen.
    »Nun, dann bleiben wir halt stecken!«
    So redete man hin und her, und dabei wurde der schweigsame
Zuhörer immer ausschließlicher von einem Gedanken
beherrscht. Angenommen, sie war auf der richtigen Fährte, und
angenommen, sie fand die Vermuteten und Gesuchten – wie war's
nun, wenn diese, sobald die Hilfskräfte zu ihnen
gestoßen waren, unverzüglich von der Bahnlinie ab und
in die Wildnis hinein ziehen sollten? Was dann beginnen? Prickett
konnte, selbst wenn er ihrem Ruf sofort folgen würde, nicht
vor einigen Tagen zur Stelle sein, und wie sollte sie im pfadlosen Eis
ihre Spuren weiter verfolgen? Und selbst, wenn er da wäre,
wenn er sie einholte, was würde er ausrichten auf einem
Gebiet, wo Gewalt die einzige Obrigkeit ist?
    Marie war sehr heruntergekommen durch das ewige Fahren auf
hartem Sitz, die ruhelosen Nächte in unbequemer, verkrampfter
Stellung, die schlechte, ungewohnte Kost, die sie sich nicht besser zu
verschaffen wagte, aus Furcht vor Entdeckung, so daß sie
allmählich aus Mangel an Nahrung ganz elend wurde. Aber
trotzdem wuchs zu ihrer eigenen Ueberraschung die zähe
Entschlossenheit, womit sie ihr Ziel verfolgte. Sie wollte ausharren
bis zum Ende, mochte dies Ende beschaffen sein, wie es wollte; ihr
Leben wollte sie aufs Spiel setzen und eher drangeben, als daß
Engel abermals über den Vater triumphieren sollte. Das
Maß des Unrechts, das sein Gegner verübt hatte, war
übervoll.
    Endlich, endlich war die Reise beendigt, und mit wild
pochendem Herzen sah sie Engel, Anise und Vogel, alle drei, auf dem
Bahnsteig stehen. Soweit waren ihre Kühnheit und ihre Ausdauer
also belohnt.
    Der Ankömmlinge auf diesem weltentlegenen Bahnhof
waren es nicht allzu viele, und Engel ging sofort auf den
Anführer der kleinen Schar zu.
    »Ich habe wohl das Vergnügen,
Kapitän Jones zu begrüßen?«
    »Jones ist mein Name,« erwiderte der
Angeredete unumwunden. »Mit dem Titel können Sie's
nach Belieben halten; ich nehme ihn nicht in Anspruch.«
    »Ich bin Baron Goldstein,« sagte Engel, ihm
die Hand schüttelnd. »Sie haben Telegramme von mir
erhalten und beantwortet.«
    »Gewiß, Herr Baron. Ihre

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