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Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Titel: Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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er wurde nicht fündig.
    Yvonne Paland nickte ihm zu und nahm dabei wie selbstverständlich das Whiskeyglas vom Tisch. „Schrecklich diese Schwüle, nicht wahr?“, bemerkte sie, indem sie an den Kühlschrank trat und eine Plastikflasche Mineralwasser herausnahm. „Ich finde, die Sonne hat direkt etwas Gnadenloses. Aber das ist wohl die heutige Zeit. Ich weiß, dass wir als Kinder oft den ganzen Tag draußen waren, ohne dass wir jemals einen Sonnenbrand bekommen hätten.“ Sie lachte und kehrte den beiden Kommissaren den Rücken zu. „Von Sonnencreme habe ich erst gehört, als ich längst erwachsen war.“
    Gutes Stichwort, dachte Verhoeven. „Man hat uns erzählt, dass Ihre Schwester als Kind oft verletzt gewesen ist“, bemerkte er beiläufig.
    Yvonne Paland hielt mitten in einer Bewegung inne, und es kam ihm vor, als verspanne sich ihr Nacken. „Tatsächlich?“, fragte sie, und nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Tja, ich denke, das stimmt wohl.“
    „Und Sie?“
    Sie drehte sich um. „Wie bitte?“
    „Waren Sie auch häufig verletzt, als Sie ein Kind waren?“
    „Ich …“ Ihre Blicke irrten ziellos durch den Raum. „Ach, ich weiß nicht genau. Ich glaube schon … Früher zumindest.“
    „Früher?“
    „Na ja“, stotterte sie. „Als ich noch klein war, meine ich. Aber wenn man älter wird, passt man natürlich auch besser auf sich auf, nicht wahr?“
    Sie lachte wieder, aber Verhoeven wusste genau, wovon sie sprach.
    Irgendwann hatte er nicht mehr stillgehalten, wenn Schmitz ihn verprügelt hatte. Irgendwann hatte er verstanden, sich zu wehren. Er hatte niemals zurückgeschlagen, auf diese Idee wäre er damals nicht einmal im Traum gekommen. Aber er hatte damit begonnen, seinem Pflegevater zu drohen: Ich erzähle es dem Jugendamt, hörst du? Ich sorge dafür, dass sie dich einsperren. Du glaubst mir nicht? Dann lass es drauf ankommen!
    Die Drohungen hatten Erfolg gehabt, auch wenn er sich später oft gefragt hatte, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn er einmal, nur ein einziges Mal, zugeschlagen hätte. Er sah wieder zu Yvonne Paland hinüber, die nach wie vor am Kühlschrank herum werkelte. Hatte sie jemals davon geträumt, ihrem Vater das Gesicht blutig zu schlagen? Ihrem Vater oder irgendjemandem sonst? So wie er? Sein Blick blieb an dem schlaffen Profil der Frau am Kühlschrank kleben, und er versuchte vergeblich, ihr Alter zu schätzen. „War Lilli eigentlich jünger als Sie?“
    „Sie waren beide jünger“, antwortete Yvonne Paland. „Lilli acht und Lorna sogar neun Jahre.“
    „Ihre andere Schwester ist schon länger tot, nicht wahr?“
    Sie bejahte. „Lorna starb mit acht an einer Herzkrankheit.“
    „Und w ie war Ihr Kontakt zu Ihrer lebenden Schwester?“
    „Wir haben uns früh aus den Augen verloren.“
    „Als sie Jasper Fennrich heiratete?“
    „Nein, schon vorher.“ Sie nahm zwei hohe Gläser aus dem Küchenschrank und stellte sie vor ihre Besucher auf den Tisch. „Wie gesagt war ich ein ganzes Stück älter als Lilli. Ich war längst verheiratet, als sie erwachsen wurde. Und hatte mit meiner eigenen Familie zu tun.“
    „Haben Sie Kinder?“ Verhoeven fragte mehr aus persönlicher Neugier als aus sachlichen Gründen.
    „Ja.“ Ihr Blick blieb eigentümlich leer. „Zwei Mädchen und einen Jungen. Aber die sind natürlich längst aus dem Haus.“
    Verhoeven registrierte Winnie Hellers missbilligenden Blick, als er zum wiederholten Mal auf die Uhr sah. Sie denkt, dass ich Yvonne Paland das Gefühl gebe, mich einen Scheißdreck für ihre tote Schwester zu interessieren, fuhr es ihm durch den Sinn. Und vielleicht hat sie sogar recht damit. Aber ich habe nicht nur diesen Job. Ich habe auch eine Familie. Eine Tochter, die ein Recht auf einen Hund hat. Auf eine Kindheit. „Wo wurden Sie und Ihre Schwestern behandelt, wenn Sie sich verletzt hatten?“, wandte er sich wieder an Yvonne Paland.
    „Bitte?“
    Sie sieht uns nie an, dachte er. Wo sie hinsieht, ist nichts. Sie schaut an uns vorbei. Irgendwo ins Nichts. „Hatten Sie einen Hausarzt?“
    „Ich …“ Yvonne Paland stemmte die Hände auf die Tischplatte. „Ich weiß nicht genau. Ich glaube nicht.“
    „Sie waren also bei verschiedenen Ärzten?“
    Ihre Miene verschloss sich. „Ich fürchte, ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen.“
    „Bei de r Obduktion Ihrer Schwester wurden multiple Frakturen festgestellt.“ Winnie Hellers Stimme klang ganz sachlich. „Der überwiegende Teil der

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