Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Titel: Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
Vom Netzwerk:
Leine, die er besorgt hatte, um die Ernsthaftigkeit seiner Absi chten zu dokumentieren, und folgte den Schildern mit der Aufschrift BESUCHER.
    Auf dem Tresen am Empfang lag eine rot getigerte Katze, die bei seinem Eintreten sogleich aufsprang und ihn eifrig beschmuste, während sich eine etwa vierzigjährige Frau in Jeans und Blümchentop nach seinen Wünschen erkundigte.
    Verhoeven gab an, einen Hund für seine kleine Tochter zu suchen, und wurde, nachdem es ihm nicht gelungen war, mehr als vage Andeutungen bezüglich seiner Rassevorstellungen zu machen, kurzerhand in den Hof hinter dem Büro geschickt, um sich „ganz unverbindlich umzusehen“.
    Zwischen den Mauern stand die Hitze wie eine Wand. Die Wege, die an den Zwingern entlang führten, waren mit Steinplatten ausgelegt. In ihren Ritzen wucherten Löwenzahn und Klee. Das Erscheinen eines Fremden brachte die Hunde dazu, nach vorn an die Gitter zu kommen. Zu kläffen. Zu betteln. Je nach Charakter.
    Es herrschte ein Lärm wie in einem Tollhaus.
    Verhoeven schlenderte langsam von Zwinger zu Zwinger. Von rechts blickten ihn große braune Augen an. Müde. Hoffnungslos. Fast wie Jasper Fennrich. Doch er blieb nicht stehen.
    „Und lass dir bloß nicht einfallen, irgendeinen Veteranen anzuschleppen“ , hatte seine Frau ihm aufgetragen. „Unsere Tochter ist fünf, Hendrik. Denk daran, wenn du glaubst, den barmherzigen Samariter spielen zu müssen. Und bloß nicht zu lebhaft. Etwas, das sie auch selbst halten kann, wenn sie ein bisschen älter ist.“
    Pitbull-M ischlinge mit schräg stehenden Augen sprangen neben ihm an den Gittern ihrer Zwinger hoch. Ihnen gegenüber entdeckte er ein paar hitzemüde Huskys.
    „Etwas Handliches , Hendrik.“ Er sah Silvies tiefdunkelblaue Augen vor sich, in denen eine eindringliche Warnung lag. „Eine Größe, die man noch bequem auf den Arm nehmen kann. Aber auch keinen Hund, den man aus Versehen wegsaugt, okay?“
    Unschlüssig blieb er stehen und betrachtete einen Jack Russell, der ihn sogleich freundlich und schwanzwedelnd begrüßte. Ein schöner Hund. Handlich. Nett.
    Wie aufs Stichwort, legte das Tier den Kopf schief und blickte ihn mit verwegen umgeklapptem linken Ohr neugierig an. Im Zwinger nebenan lag ein Labrador, schwarz wie die Nacht.
    Verhoeven sprach ein paar Worte mit ihm, doch die Augen des Tieres blickten geradewegs durch ihn hindurch. Es lag eine erschreckende Leere darin. Melancholie, dachte Verhoeven. Er kannte das Wort nur aus dem Deutschunterricht im Zusammenhang mit den Dichtern der Romantik. Zugleich hatte er irgendwo im Hinterkopf, dass Melancholie eine Form von Geisteskrankheit war.
    Zögernd ging er weiter.
    Noch mehr Schäferhunde. Er bückte sich kurz, um eine Schnauze zu berühren, die sich ihm durch die Gitterstäbe entgegendrängte, und fühlte sich mit jedem Schritt unglücklicher. Er stand vor einer unlösbaren Aufgabe. Und er ärgerte sich über seine Frau, die ihm zumutete, eine Wahl zu treffen, an einem Ort wie diesem. Dabei konnte sie solche Dinge viel besser als er. Auswählen. Das Richtige tun. Die richtige Entscheidung treffen. Seine Frau war unschlagbar darin. Egal ob im Supermarkt oder auf der Autobahn – sie tat immer das Notwendige, und meistens war das Notwendige auch richtig. Er selbst hingegen brauchte viel zu viel Zeit zum Überlegen. Zum Nachdenken. Zum Abwägen.
    Während er an immer neuen Käfigen vorbeiging, dachte er wieder an den Deutschunterricht, den er als Junge genossen hatte. Und an die Aufsätze, für die er eine Vier oder sogar eine Fünf bekommen hatte, nicht etwa, weil sie schlecht gewesen wären, sondern schlicht und ergreifend, weil er es nicht geschafft hatte, sie innerhalb der vorgegebenen Zeit zu Ende zu bringen.
    „ Hendrik will seine Sache zu gut machen“, hatte einmal unter einem dieser Aufsätze gestanden. „Hendrik verzettelt sich.“
    Verhoeven zog ein Taschentuch heraus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. War das heute eigentlich immer noch so, dass Lehrer seltsame Kommentare unter die Arbeiten ihrer Schüler setzten? Oder hatten sie auch die Kommentare abgeschafft, genau wie die Probealarme und das Hitzefrei?
    Hendrik muss lernen, sich auf einen Aspekt festzulegen …
    Schmitz war vollkommen außer sich gewesen, damals. Etwas schlecht zu machen, weil man es zu gut machen wollte, war ihm vollkommen widersinnig erschienen.
    „Wenn du es nicht könntest“, hatte er gebrüllt. „Wenn es daran läge, dass du es nicht verstanden hast. Das

Weitere Kostenlose Bücher