Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)
bemerkenswert fand, obwohl er ihn nicht zu deuten wusste. Dann stand sie auf und hüpfte in den Garten hinaus, um gleich darauf mit einer ziemlich großen Puppe zurückzukehren, die prachtvolles Blondhaar hatte und zu Verhoevens Überraschung vollkommen unbekleidet war. Dies jedoch offenbar erst seit kurzem, wie er der entgeisterten Miene seiner Schwiegermutter entnahm.
„Um Himmels Willen“, rief Silvie, indem sie ihrer Tochter die anstößig nackte Puppe aus der Hand riss, wobei offenbar wurde, dass deren Rücken zu allem Überfluss auch noch der Länge nach aufgeschnitten war. „Was ist denn damit passiert?“
„Sie ist operiert worden“, antwortete Nina ohne jeden Anflug von Reue.
„Ist sie denn krank gewesen?“, erkundigte sich Verhoeven verständnisvoll, eine Frage, die ihm einen vernichtenden Blick seiner Frau und ein einvernehmliches Kopfnicken seiner Tochter eintrug.
„Sehr krank.“
„Aber wie kann denn so etwas passieren?“, echauffierte sich Mechthild Brinck, indem sie ihrer Tochter die zerstörte Puppe aus der Hand nahm. „Das hier ist doch Kunststoff und …“ Sie unterbrach sich und reichte das Spielzeug an ihren Mann weiter. „Ich verstehe nicht, wie ein Kind in diesem Alter …“
„Solch einen Schnitt brächte man höchstens mit einem Messer zustande“, urteilte Horst Brinck nach einem flüchtigen Blick auf die Wunde.
„Schere“, widersprach Nina freundlich, doch die Richtigstellung ging im Wehgeschrei ihrer Großmutter unter.
„Und wie , um alles in der Welt, kommt ein vierjähriges Kind an ein Messer? Ich meine, so etwas lässt man doch nicht einfach herumliegen, oder?“ Mechthild Brinck bedachte Verhoeven mit einem Blick, der keinen Zweifel daran ließ, dass er das einzige Mitglied dieses Haushaltes war, dem sie eine entsprechende Verantwortungslosigkeit zutraute. Auch wenn er als einziger der Anwesenden zum Tatzeitpunkt außer Haus gewesen war. „Zu meiner Zeit hat man gefährliche Geräte jedenfalls sorgfältig weggeschlossen. Und woher hat ein vierjähriges Kind überhaupt die Kraft, so einen … PVC-Rücken aufzu…“ Sie unterbrach sich, weil ihr offenbar nur Worte einfielen, die sie mit Rücksicht auf ihre Enkelin nicht verwenden wollte.
„Sie hat eine Schere verwendet und ist heute fünf geworden“, beeilte sich Verhoeven, die Lücke i m Redefluss seiner Schwiegermutter mit ein paar klärenden Worten zu füllen. „Und außerdem möchte sie später mal Medizin studie… “
„Messer, Gabel, Schere, Licht“, fiel Mechthild Brinck ihm ins Wort, „sind für kleine Kinder nicht! Das solltest du als Polizist doch wohl am besten wissen.“
Verhoeven gab einen unverbindlich zustimmenden Laut von sich, auch wenn er ihrer Kausalkette nur bedingt folgen konnte.
„Ein Medizinstudium“, brummte unterdessen sein Schwiegervater. „Was für ein himmelschreiender Unsinn!“
„ Wo, frage ich dich, hat ein vierjähriges Kind nur solche Ideen her?“ Mechthild Brinck sah ihre Tochter an, und Verhoeven hoffte inständig, dass seine Frau sich dieses eine Mal auf seine Seite schlagen würde.
Er konnte ihre Nervosität sehen, als sie ihrem Vater die kaputte Puppe vom Schoß nahm und zu einer Entgegnung ansetzte, die ihr jedoch erspart blieb, denn Buckel hatte es irgendwie geschafft, aus der Küche zu entkommen, und betrat nun mit untrüglichem Gespür für den rechten Augenblick die Familienbühne der Verhoevens geradewegs durch die Terrassentür.
Dass sich das betretene Schweigen, das bereits in der Luft gelegen hatte, angesichts seines Erscheinens noch vertiefte, störte ihn ebenso wenig wie die Tatsache, dass Mechthild Brinck bei seinem Anblick erschreckt die Füße auf ihren Sitz zog. Mit der Gelassenheit eines nordafrikanischen Wüstennomaden trottete er quer durch das Zimmer und ließ sich zu Verhoevens Füßen nieder, wo er jedoch nicht lange ungestört blieb, denn Nina stürzte sich sogleich mit einem Freudenschrei auf ihren Vater.
„Ist das mein Geschenk, Papa? Ja? Ist das jetzt unser Hund?“
Verhoeven nickte und suchte Silvies Blick. Doch seine Frau sah zu Boden. Auf ihren Wangen lag eine an und für sich sehr reizvolle Röte, von der er jedoch wusste, dass sie kein gutes Zeichen war.
„Ist das Vieh geimpft?“, fragte seine Schwiegermutter, indem sie ihre Enkelin kurzerhand am Hosenbund davon zurückhielt, ihr Geschenk zu begrüßen.
„Selbstverständlich“, entgegnete Verhoeven. „Die freundlichen Leute vom Tierheim haben ihn geimpft, gechipt und
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