Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)
beeindrucken, dann hätte ich mir den einen oder anderen blauen Fleck sparen können! „Dann können wir ja nur hoffen, dass Rieß-Sempers uns nicht verklagen, falls sie ihren süßen kleinen Liebling wegen eines Raffinadezuckerschocks behandeln lassen müssen“, bemerkte er in Richtung seiner Frau.
„Was ist das?“ , wollte seine Tochter wissen.
Doch sie hatte die Rechnung ohne ihren Großvater gemacht. „Ach, so einer ist das!“, rief er und hieb mit der flachen Hand auf den Couchtisch ein.
„Was für einer?“, fragen Verhoeven und Nina unisono.
„Ist doch k ompletter Blödsinn, dieses Öko-Getue“, bemerkte Horst Brinck anstelle einer Antwort. „Die pure Geldschneiderei.“
Er war einer jener Nobelzahnärzte, die alles besser wussten und die einem selbst dann noch penibel genau erklärten, wie lange man mit welchem Druck in welche Richtung putzen musste, wenn man schon längst die dritten Zähne im Mund hatte. Darüber hinaus verstand er es ausgezeichnet, seinen Patienten tausenderlei kostspielige Extras aufzudrängen, und wann immer er zu Besuch war, hatte Verhoeven das unbequeme Gefühl, dass sein Schwiegervater ihm beständig auf die Zähne sah, während er herumrechnete, wie viel er für eine gründliche Sanierung derselben wohl investieren müsse.
„Stimmt’s nicht, Hendrik?“, brummte er in diesem Augenblick, und Verhoeven beeilte sich, seinem Schwiegervater beizupflichten , auch wenn er bereits seit drei Sätzen nicht mehr richtig zuhörte und keine Ahnung hatte, worum es gerade ging.
„Ganz richtig.“
Er vermied es tunlichst, Silvies Vater direkt anzusprechen, weil er sich einfach nicht dazu überwinden konnte, Horst Brinck zu duzen. Und bei allem demonstrativ zur Schau gestellten Familiensinn, mit dem die Eheleute Brinck ihn seit der Hochzeit als einen der ihren verkauften, war es ihm doch nie gelungen, die Kluft, die von Natur aus zwischen ihm und seinen Schwiegereltern zu liegen schien, zu überbrücken. Ich kenne die beiden nun schon über sechs Jahre, dachte er verwundert, und ich habe trotzdem noch immer keine Ahnung, wer sie sind ...
„ Die reden den Leuten glatt ein, dass sie sterben, wenn sie einen Salat aus dem Supermarkt essen“, manifestierte sich in diesem Moment wieder die Stimme seines Schwiegervaters in seinem Bewusstsein. „Und weil die Menschen in diesem Land immer dümmer werden, glauben sie‘s. Das hat Methode, sage ich. Erst sorgst du für kollektive Verblödung, und wenn die Leute dann nicht mehr merken, was du ihnen für einen Unsinn verkaufst, machst du dein Geschäft. Zack. Bumm. So sieht’s aus.“
„Pure Geldschneiderei“, sagte Mechthild Brinck, die die unselige Angewohnheit hatte, ihren Mann bei jeder Gelegenheit zu zitieren. „In diesen so genannten Bioläden berechnen sie dir einen Euro fünfzig für eine matschige Tomate, und die ist am Ende genauso aus Holland wie ihre Cousinen aus dem Supermarkt.“
„Ihre Cousinen?“, fragte Verhoeven amüsiert.
„Du weißt, wie ich das meine“, versetzte seine Schwiegermutter spitz.
„Dominik wird krank, wenn er Chips isst“, kam Nina derweil auf ihr Lieblingsthema zurück. „Dann kriegt er rote Flecken und stirbt.“
„Mein Gott“, sagte Mechthild Brinck.
„Das nennt man eine Glutamatallergie“, belehrte ihre Enkelin sie. „Und man kriegt es nur, wenn man besonders sen …“ Sie stutzte und sah ihren Vater fragend an. „Wie heißt das Wort noch mal?“
„Sensibel“, antwortete Verhoeven, nicht gerade glücklich, den Begriff ausgerechnet im Zusammenhang mit Mr. Glutamat-Semper verwenden zu müssen.
„Genau“, strahlte seine Tochter. „Dominik ist besonders sensibel.“
„Warum zeigst du Papa nicht mal das Geschenk, das du von Oma und Opa bekommen hast?“, schlug Silvie vor, und ihre Gesichtszüge zeigten deutliche Anzeichen innerer Anspannung, wie immer, wenn ihre Eltern zu Besuch waren. Sie trug ihr bestes Etuikleid aus hellblauer Wildseide und entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit auffallend viel Schmuck an Hals und Händen. Verhoeven hatte bemerkt, dass ihre Augen immer wieder angstvoll über den hübsch gedeckten Tisch glitten, als fürchte sie, sich eines schwerwiegenden Versäumnisses schuldig gemacht zu haben. Jetzt sah sie ihren Vater an mit diesem Lächeln, das er so hasste. Das Sieh-mal -was-ich-für-eine-gute-Tochter-bin-Lächeln, das ihn wahnsinnig machte. „Sie hat sich ja so darüber gefreut.“
Nina betrachtete ihre Mutter mit einem Ausdruck, den Verhoeven
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