Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)
…“
„Er sieht aber nicht besonders fit aus“, befand Horst Brinck und streckte die Hand aus, um Buckels samtweiche Lefzen anzuheben, ein Versuch, dem der Basset mit einem energischen Grollen Einhalt gebot. „Und freundlich ist er auch nicht.“
„Er ist sogar sehr freundlich“, widersprach Verhoeven und beobachtete erleichtert, wie der Basset Nina die zarten Händchen leckte.
Seine Tochter quiekte vergnügt.
„Er ist freundlich, kinderlieb und ganz offenbar fit genug, zuerst auf einen Stuhl und von dort aus dem Küchenfenster zu springen.“
„Aber er könnte weiß Gott was erlebt haben“, beharrte seine Schwiegermutter mit trotzigem Blick. „Wer weiß, wo er vorher gewesen ist.“
„Soweit ich die Angestellte verstanden habe, ist er ein Abgabetier“, log Verhoeven. „Ein Scheidungsopfer.“
„Wohl eher ein Scheidungsgrund“, bemerkte sein Schwiegervater bissig.
„Und irgendwann fällt er das Kind an“, schloss Mechthild Brinck. „Hat es alles schon gegeben.“
Doch Nina streichelte ihrem Geschenk mit ungebrochener Begeisterung den Nacken. „Na, du bist ja toll“, flüsterte sie selig. „Wie heißt du denn?“
„Buckel“, antwortete Verhoeven für ihn.
„Das ist aber ein lustiger Name“, kicherte seine Tochter.
„Und warum, zum Teufel, musste es ausgerechnet ein Basset sein?“, funkelte Silvie ihn aus tiefdunkelblauen Augen an. „Ich meine, du hältst dich doch wohl hoffentlich nicht für so was Ähnliches wie Inspektor Columbo, oder?“
Verhoeven lächelte matt und beugte sich zu Buckel hinunter, der den unfreundlichen Empfang hoch aufgerichtet und völlig angstfrei über sich ergehen ließ. „Was ist falsch an einem Basset?“
Seine Frau fuhr sich mit beiden Händen durch die bis dato tadellos frisierten Haare. „Er sabbert.“
Verhoeven betrachtete Buckels Schnauze, die sich warm und schwarzglänzend in die schwüle Nachmittagshitze reckte. „Ich denke nicht, dass er …“
„Oh doch“, fiel sie ihm ins Wort. „Diese Viecher sabbern wie die Springbrunnen.“
Mit Rücksicht auf die Anwesenheit seiner Schwiegereltern unterdrückte Verhoeven einen Kommentar zu ihrer These. Stattdessen versuchte er sich in Diplomatie: „Alle Hunde sabbern.“ Er kraulte Buckel das flaumweiche Schlappohr. „Das wusstest du, als wir beschlossen haben, einen anzuschaffen.“
Er konnte sehen, wie sehr es sie ärgerte, dass sie diesem Argument nichts entgegenzusetzen wusste. „Aber ich hatte mir einen richtigen Hund vorgestellt“, sagte sie nach einer Weile vollkommen irrational, und die Enttäuschung färbte ihre Stimme eine Nuance dunkler als gewöhnlich. „Mit dem man richtig spazieren gehen kann und der nicht in der Mitte durchbricht, wenn er ein paar Stufen hinauf soll.“
„Aber das ist ein richtiger Hund, Mama“, versuchte es Nina mit einer Mischung aus Charme und Logik.
„Wie, sagtest du, heißt das Vieh noch gleich?“, fragte ihre Mutter, an Verhoeven gewandt.
„Buckel.“
„Siehst du!“ Sie drehte den Kopf weg und starrte auf den blitzsauberen Parkettboden. „Verdammt noch mal, Hendrik, kannst du nie etwas richtig machen?“
„Ich finde nicht, dass er …“, setzte Verhoeven an, bemüht, sie die Verletzung, die sie ihm zugefügt hatte, nicht sehen zu lassen.
Do ch sie war bereits aufgestanden und mit der abgegessenen Tortenplatte auf dem Weg zur Tür.
„Schon gut, mein Junge“, sagte Verhoeven und tätschelte Buckel den Kopf. „Sie wird sich schon mit dir abfinden. Gib ihr einfach etwas Zeit.“ Die braunen Triefaugen hefteten sich einvernehmlich auf seine Stirn. „Immerhin hat sie sich auch mit mir abgefunden.“
„Gott sei’s geklagt , das hat sie“, bemerkte seine Schwiegermutter, und zum ersten Mal, seit Silvie und er verheiratet waren, wäre Verhoeven am liebsten aufgestanden und hätte ihr die Tür gewiesen.
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Als Winnie aus der Hütte trat, stand die Sonne bereits tief im Westen. Die Hügel ringsum wirkten wie ausgebleicht, und sie dachte daran, dass dieser leicht verwaschene Gesamteindruck typisch für die Farbpalette des Sommers war. Das behaupteten zumindest gewisse Frauenzeitschriften im Rahmen ihrer alljährlich wiederkehrenden Typberatungen. Und eben diese Typberatungen waren schuld, dass sie sich im vergangenen Herbst – in dem an und für sich durchaus lobenswerten Bestreben, ihrem Aussehen mehr Definition und Strahlkraft zu verleihen – fälschlicherweise in die Kategorie „Herbst“ eingeordnet hatte.
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