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Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Titel: Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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wieder da ist, schweigt sie?“
    „Genau.“
    „Seltsam.“ Verhoevens Finger spielten an der Schnur des Telefonhörers.
    „Der Arzt hat Frau Schilling dringend geraten, einen speziell geschulten Psychologen hinzuzuziehen“,  kämpfte sich Brünings Stimme gegen den Lärm in Hintergrund. „Aber sie hat abgelehnt.“
    „Warum?“
    „Es nicht noch schlimmer machen, am besten einfach zur Normalität übergehen, die Sache nicht überfrachten, such dir was aus.“ Er seufzte. „Diese Frau klammert sich an den naiven Glauben, es könne ja wohl nicht allzu viel passiert sein, wenn nichts zu sehen ist und selbst die Ärzte nichts finden. Und da wir nicht mal mit Sicherheit sagen können, dass es ein Mann war, der das Mädchen entführt hat …“ Er ließ den Satz offen.
    Verhoeven hörte Jazz und Stimmen. Was man so Normalität nannte. „Tust du mir den Gefallen und zeigst Corinna Schilling ein Foto unseres Verdächtigen, wenn du sie morgen triffst?“, folgte er einer spontanen Eingebung.
    „Von dem Alten?“ Da war sie wieder, diese Herablassung, die ihn vom ersten Augenblick so an Brüning gestört hatte.
    „Von Jasper Fennrich, ja.“
    „Von mir aus.“ Im Hintergrund kreischte eine Frau. Aber vielleicht lachte sie auch nur. So genau konnte Verhoeven das nicht sagen. „Auch wenn ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, was das bringen sollte.“
    „Tu’s trotzdem“, bat Verhoeven und berichtete dem Kollegen in knappen Worten von dem zweiten Vermisstenfall, auf den Winnie Heller am Nachmittag gestoßen war.
    „1977, hm?“, hakte Brüning nach.
    Verhoeven bejahte.
    „Dreißig Jahre sind eine Welt, mein Junge. Vor allem in einem solchen Kontext.“
    „Ich weiß.“ Verhoeven stutzte und starrte einen winzigen Fleck an der gegenüberliegenden Wand an. Dreißig Jahre, dachte er, tatsächlich! Viola Krempinski verschwand im selben Jahr, in dem Lilli Dahl Jasper Fennrich heiratete. War das Zufall, nichts als ein eigentümlicher, makabrer Zufall?
    „Und du willst trotzdem, dass ich einer Vier jährigen das Foto eines Gattinnenmörders unter die Nase halte?“, fragte Brüning noch einmal.
    „Mehr denn je“, entgegnete Verhoeven.
    „Also schön“, brummte er. „Ich werde sie fragen.“
     
     
     
     
    1 3
     
    Winnie hatte sich das Seewasser vom Körper geduscht, ein Paar uralte Boxershorts und ein frisches T-Shirt angezogen und eine Portion Lasagne aus der Mikrowelle gegessen. Jetzt saß sie mit Latexhandschuhen, Kopierfolie und Pinzette bewaffnet an dem alten Tisch, der ihr als Essplatz und Schreibtisch zugleich diente, und beugte sich über ein Puzzle der besonderen Art.
    Sie hatte alle Papierschnipsel aus dem Umschlag sortiert, was nicht leicht gewesen war, denn es waren viele, manche von ihnen kaum größer als ein Zentimeter. Das Papier war kariert und stammte augenscheinlich aus einem von Jasper Fennrichs Haushaltsheften. Es schienen zwei Bögen zu sein, beidseitig beschrieben. Das Schriftbild war wirr und uneinheitlich, zudem hatte Lilli Dahl kaum Absätze gemacht, was die Sache nicht gerade erleichterte. Doch nach zäher Arbeit war es Winnie gelungen, die größeren Teile einer jeweiligen Vorder- und Rückseite zuzuordnen und so ein rudimentäres Gerüst zu erstellen, in das sie nun die kleineren Stücke einpassen konnte.
    Trotz des sperrangelweit geöffneten Fensters, stand ihr bereits wieder der Schweiß auf der Stirn. Sie drehte den Schnipsel, den sie gerade in der Hand hielt, um neunzig Grad und seufzte erleichtert auf, als er sich bereitwillig in eine Lücke an der rechten oberen Ecke des ersten Blattes einfügte. Es waren zwei Briefe, so viel hatte sie inzwischen herausgefunden. Als Daten für ihre Niederschriften hatte Lilli Dahl den zwölften und den achtzehnten Juli notiert.
    Winnie nahm einen Schluck aus der Bierflasche, die neben ihrem Stuhl stand. Alkoholfrei heute. Sie brauchte einen klaren Kopf für das, was sie tat. Vor dem Fenster verlosch der Tag und machte einer weiteren drückenden Sommernacht Platz. Von der Straße drang der Lärm der Großstadt an ihr Ohr. Wieder einer von diesen Tagen, an denen die Leute nicht schlafen können, dachte sie. Zugleich versuchte sie sich vorzustellen, wie Jasper Fennrich und seine Frau auf dem Steg vor der Hütte gesessen hatten, in einer lauen Sommernacht wie dieser. Die überwältigende Stille der Hügel ringsum, der Wald, der die Eheleute schwarz und schweigend umgab, und kein Geräusch außer dem Zirpen der Grillen. Oh nein, es

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