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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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kommt es nicht darauf an, den anderen gegenüber Großmut, Sorge und Anteilnahme zu zeigen, wenn es das Werk stört oder schwächt. Im Gegenteil, ungeheuerlichste Engherzigkeit, Geringschätzung und Selbstsucht sind für den Künstler eine Tugend, solange er durch sie seine Arbeit leisten kann.
    Was suchte eine so zarte Frau wie Frida Kahlo bei einem solchen Mann? Worin bestand ihre Kraft? Gab ihr Rivera die Stärke, die ihre Schwäche brauchte, oder kam es auf die Summe zweier Kräfte an, um der körperlichen Schwäche ihren unabhängigen, schmerzensreichen Platz zu geben? Und war Diego selbst tatsächlich so stark, wie sein riesiger, stämmiger Körper wirkte, oder so schwach, wie derselbe Körper nackt aussah, ohne Flaumhaar, rosig, fett, mit einem Penis wie ein Kind, den Laura eines Morgens entdeckte, als sie zufällig die Tür des Badezimmers öffnete? War nicht sie es, Frida, das Opfer, die ihm, dem starken, siegreichen Mann, seine Kraft gab?
    Frida erkannte als erste, vor Diego, welche Eigenschaft das Licht hatte, doch sie sagte es ihm, als hätte er es entdeckt, und dabei wußte sie, daß er ihr zunächst für die Lüge danken und sie danach zu einer originellen, für Diego Rivera bezeichnenden Wahrheit machen würde,
    »Im Gringoland fehlen Licht und Schatten. Wie gut du das vorausgesehen hast, mein hübscher Kleiner.« Sie strahlte, während er zurückkam und vergessen wollte: »Für deinen hübschen Kleinen, deinen nächtlichen Spiegel, gibt es nur zwei Arten von Licht auf der Welt, das des Pariser Abends, dort bin ich zum Maler geworden, und das der mexikanischen Hochebene, dort wurde ich ein Mann. Ich begreife das Licht des Winters im Gringoland nicht und auch nicht das der mexikanischen Tropen, meine Augen sind grüne Schwerter in deinem Fleisch und verwandeln sich in deinen Händen zu Lichtwellen, Frida…«
    Als die beiden vom Bahnhof zum Hotel kamen, waren sie entschlossen, sich nicht anzupassen, Krieg zu führen, nicht zu gestatten, daß etwas unbemerkt oder ungestört geschah. Detroit erfüllte ihnen all diese Wünsche, von Anfang an lieferte es ihnen Stoff, bot ihnen Gelegenheiten, damit er einen Skandal machen und sie ihren Humor zeigen konnte. Sie stellten sich im Hotel an, um sich anzumelden. Zwei vor ihnen stehende alte Leute wurden vom Empfangschef mit einer schneidenden Antwort abgefertigt.
    »Es tut uns sehr leid. Juden werden hier nicht aufgenommen.«
    Die beiden zogen sich verblüfft und murrend zurück, ohne jemanden zu finden, der ihnen half, die Koffer zu tragen. Frida verlangte die Anmeldeformulare und füllte sie mit riesengroßen Buchstaben aus: »MR. AND MRS. DIEGO RIVERA«, darunter ihre Adresse in Coyoacân, ihre mexikanische Staatsangehörigkeit und mit noch größeren Buchstaben ihre Religion: »JÜDISCH«. Der Empfangschef starrte sie erschrocken an. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Frida sagte es an seiner Stelle. »Was ist los mit Ihnen, Mister?« »Das haben wir nicht gewußt.« »Was wußten Sie nicht?«
    »Entschuldigen Sie, meine Dame, Ihre Religion…«
    »Mehr als nur die Religion. Die Rasse.«
    »Das heißt…«
    »Sie nehmen keine Juden auf?«
    Sie drehte sich um, ohne sich um die Antwort des Empfangschefs zu kümmern. Laura hielt das Lachen zurück und hörte die Kommentare der weißen Gäste, die Frauen trugen breitkrempige, sommerliche Strohhüte und die Männer diese merkwürdigen nordamerikanischen Seersucker-Anzüge aus weißem Popelin mit blauen Streifen, dazu Panamahüte: »Ob das Zigeuner sind? Als was ist diese Frau verkleidet?«
    »Gehen wir, Diego, Laura! Raus hier.«
    »Mrs. Rivera«, drängte zitternd der Manager, den man aus seinem nach Radiergummi riechenden Büro geholt hatte, wo die Zeitung auf der Seite mit den Cartoons aufgeschlagen lag. »Entschuldigen Sie, das wußten wir nicht, es spielt keine Rolle, Sie sind Gast von Mister Ford, nehmen Sie unsere Entschuldigung an…«
    »Gehen Sie und sagen Sie diesen beiden alten Leuten, daß man sie hier aufnimmt, obwohl sie Juden sind. Denen, die dort durch die Tür gehen. Step on in it, shit!« befahl Frida, und danach, in ihrer Suite, krümmte sie sich vor Lachen und spielte Yes, we have no bananas auf der Ukulele. »Sie mußten nicht nur uns aufnehmen, sondern auch die zwei Alten, und sie haben uns den Preis herabgesetzt!«
    Diego verlor keine Minute. Am nächsten Tag schon war er im Detroit Institute und prüfte die Wände, bereitete die Fresken vor, wies die Gehilfen ein, breitete seine

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