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Die Joghurt-Luege

Titel: Die Joghurt-Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vlad D. Georgescu , Marita Vollborn
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Konsumenten nachhaltig beeinflusst zu haben. Kommunikative Zurückhaltung scheint deshalb angebracht, will man den Käsestandort Deutschland nicht gefährden. Immerhin ist Deutschland mit knapp 2 Millionen Tonnen pro Jahr Europas Käsehersteller Nummer eins – weltweit produzieren nur die USA mehr Käse. Rund ein Drittel der deutschen Jahresproduktion wird exportiert, davon 80 Prozent innerhalb der Europäischen Union. Dem Spitzenreiter Frischkäse mit rund 781 000 Tonnen (2004) folgen Schnittkäse mit 526 400 Tonnen und Hartkäse mit 196 000 Tonnen. 44 Schnittkäse und Hartkäse sind Natamycinträger – je nachdem, ob der Käsehersteller das wünscht. Viele Kunststoffumhüllungen können, wie die des auf Hilfsstoffe für Käseproduzenten spezialisierten Schweizer Unternehmens foodtech ag »foodplast«, wunschgemäß mit oder ohne Natamycin geordert werden. Der Auftrag der Hülle ist denkbar einfach: Meist handelt es sich um viskose Flüssigkeiten, mit denen der Käse gleichmäßig mittels Pinseln oder Schwämmen bestrichen wird; nach einer anschließenden Trocknungszeit kann der Käse verpackt werden.
    Obwohl die Deutschen zwischen mehr als 150 Käsesorten wählen können, entscheiden sich die meisten für die Klassiker: den zu den Hartkäsen zählenden Emmentaler und die beiden Schnittkäsesorten Gouda und Edamer. Immerhin 10 Prozent der Deutschen lassen sich in einem Käsefachgeschäft beraten, der Löwenanteil der Käseesser greift auf das Angebot aus Selbstbedienungstheke und Kühlregal zurück. Wichtigste Kaufkriterien sind Geschmack, Preis und Fettgehalt 45 – Fragen nach der Art der Konservierung werden kaum gestellt.
    Seit Jahren poliert die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH (CMA) am Image deutscher Agrarprodukte. Die Landwirtschaft ist wie überall in Europa hoch subventioniert. Den eher regional geprägten Bereichen Pflanzenbau, Viehzucht und Milchwirtschaft steht ein europaweit agierender, mächtiger Handel gegenüber, der einen enormen Preisdruck auf |116| die Verarbeiter ausübt. Häufig knicken die Lebensmittelhersteller unter der Forderung, bei höheren Margen billiger zu produzieren, ein – landwirtschaftliche Betriebe als ihre Zulieferer sind dann das schwächste Glied in der Kette. Die Spirale der Wertevernichtung zeigt sich im permanenten Verfall von Rohstoffpreisen. So fielen die Preise für Schlüsselprodukte wie Milchpulver oder Butter in den vergangenen Jahren um ein Drittel. Die Liberalisierung des Käsemarktes in der EU forderte zusätzlich seinen Tribut. Mit Kampagnen wie »Unser Käse. Einfach unwiderstehlich«, einem integrativen Kommunikationskonzept aus Anzeigen, PR-Maßnahmen und dem Online-»Käsefinder« 46 , versucht die CMA dem deutschen Kunden Appetit auf heimischen Käse zu machen. Dass die Käsewirtschaft in der Bundesrepublik für 2005 einen Rekordumsatz meldete, der Pro-Kopf-Verbrauch auf eine Höchstmarke von rund 22 Kilogramm pro Jahr stieg und die Branche ein Absatzplus von 8 Prozent verzeichnete, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lage angespannt ist: Die positive Entwicklung resultierte weiterhin ausschließlich aus dem Boom bei der Selbstbedienungsware, insbesondere aus dem Discountgeschäft. 47 Öffentliche Vorbehalte gegenüber Zusatzstoffen würden die sensible Marktsicherheit nur gefährden.
    Die politische Marschrichtung scheint klar: Zugeständnisse an die Industrie sind notwendig – die Ankündigung von Massenentlassungen bei drohendem Gewinnverlust würde Wählerstimmen kosten. Das politische Kalkül reduziert sich auf das Motto: »Was dem Verbraucher nicht mittelbar schadet, kann der Industrie unmittelbar nutzen.« Eine Information wird aber nicht umso seriöser, je zaghafter sie weitergegeben wird – eine tropfenweise verbreitete Botschaft schürt nur diffuse Ängste und überlässt marktschreierischen Panikmachern das Feld.
Natürlich ohne Natur
    Verbrauchern fällt es schwer, sich für oder gegen einen bestimmten Konservierungsstoff zu entscheiden. Weder die E-Nummern noch die |117| Bezeichnungen können ihm weiterhelfen, zumal es darunter auch solche gibt, deren Namen nach Natur klingen, wie Kohlensäure (E 290), Milchsäure (E 270), Ameisensäure (E 236), Zitronensäure (E 330) oder Äpfelsäure (E 296). Doch wer meint, eine Extraktion genüge, um die begehrte Substanz zu erhalten, der irrt. In den Mengen, wie sie heute benötigt werden, reichen solche einfachen technologischen Lösungen nicht mehr aus, und

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