Die Judas-Variante - V3
wäre, einen zu entwickeln.
»Was mich betrifft, so teile ich nicht Annes Überzeugung, dass die Maulwürfe gegen die Idee eines
Aufstands immun sind«, warf Kanai ein. »Vielleicht glaubt jeder einzelne nur, dass er persönlich
nichts bewirken könne.«
»Das würde sich vielleicht ändern, wenn sie wüssten, dass sie nicht allein sind, sondern
Bundesgenossen haben«, pflichtete Reger ihm bei. »Vielleicht sogar Bundesgenossen an höherer
Stelle.« Er wies auf Poirot.
Skyler schürzte die Lippen. Ja, genau aus diesem Grund hatte er den General doch überhaupt
hierhergebracht.
Falls Poirot sich aber auch weigerte zu kooperieren, wäre das Geheimnis der Existenz von Whiplash
in dem Moment gelüftet, wo er das Regierungszentrum Athena betrat. Ob sie dieses Risiko jetzt
schon eingehen sollten?
Anne stellte offensichtlich ähnliche Überlegungen an. »Ich glaube nicht, dass einer von euch auch
nur die geringste Vorstellung davon hat, wozu die Sicherheit fähig ist, wenn sie richtig in Panik
gerät«, warnte sie. »Falls sie Kenntnis von Whiplash erlangen, werden sie den ganzen Bezirk
umkrempeln.«
Und dann traf Skyler eine spontane Entscheidung.
»Es ist ein Risiko«, stimmte er ihr zu. »Aber wir sind im Krieg. Da muss man Risiken auf sich
nehmen.«
»Dann sollten wir nicht noch mehr Zeit vergeuden«, sagte Reger bestimmt. »Holen wir das Whiplash
und packen die Sache an.«
Caine wurde plötzlich aus dem Schlaf gerissen.
Er lag bewegungslos in der Koje und simulierte die langsame, stetige Atmung eines Schläfers.
Durch die geschlossenen Augenlider sah er, dass die Zelle noch immer dunkel war, und das schwache
Hintergrundgeräusch des Stützpunkt-Generators erfüllte den Raum. Das Summen übertönte alle
Geräusche, die vielleicht durch leise Schritte oder ein flaches Atmen verursacht worden
wären.
Jedoch hatte Caine alle von Lathes ermüdenden und manchmal - wie er damals geglaubt hatte - auch
sinnlosen Blinde-Kuh -Übungen absolviert. Folglich verfügte er über eine Sinneswahrnehmung,
von der seine Gefängniswärter wahrscheinlich keine Ahnung hatten. Da er praktisch blind und taub
war, konzentrierte er sich stattdessen auf Veränderungen der Luftströmung, die ihm übers Gesicht,
den Hals und die Hände strich. Da stand jemand am Ende der Koje.
Vorsichtig öffnete er die Augen einen Spalt weit.
Da stand ein großer Mann, kaum mehr als ein schwarzer Schatten vor dem schwachen Licht, das durch
die offene Zellentür hereinfiel. Für einen Moment stand der Mann nur da und machte sich am
Bettgestell zu schaffen. Dann drehte er leicht den Kopf, und Caine erkannte das Profil seines
Gesichts und die bizarre Silhouette, die ihm sagte, dass der Typ entweder eine Infrarot- oder
Restlichtverstärkerbrille trug.
Der Mann beendete die bisherige Verrichtung und ging zur anderen Seite des Raums. Als er sich von
der Koje entfernte und den Blick auf die Tür freigab, sah Caine, dass noch ein zweiter Mann im
Türrahmen stand. Das Fehlen sichtbarer Arme in seiner Silhouette war ein Indiz dafür, dass er
wahrscheinlich eine Pfeilpistole im beidhändigen Griff hielt und auf Caine gerichtet hatte.
Obwohl das Licht im Korridor zu trübe war, um klar konturierte Schatten zu werfen, nahm er im
indirekten Licht genügend Bewegungen wahr, um auf mindestens eine weitere Person außerhalb seines
Blickfelds zu schließen. Schlafen oder nicht, sie gingen keine Risiken mit ihrem Gefangenen
ein.
Der Eindringling erreichte den Sanitärbereich und blieb vor der Duschkabine stehen; und Caine
unterdrückte ein Lächeln, als er schließlich begriff, was hier vorging. Die Beobachter im
Kontrollraum hatten sich wahrscheinlich darüber geärgert, dass Caine zwei der drei Kameras
blockiert hatte, und wollten das im Schutz der Nacht wieder rückgängig machen.
Perfekt.
Denn Caine würde das morgen auch wieder rückgängig machen. Er musste nur eine Schamfrist
verstreichen lassen, bevor er die reaktivierten Kameras »entdeckte«, damit sie nicht auf den
Trichter kamen, dass er letzte Nacht wach gewesen war.
Und wenn sie glaubten, dass sie einmal reingeschlichen waren, ohne ihn aufzuwecken, würden sie es
vielleicht noch einmal versuchen.
Ja, sagte er sich. Das eröffnete ihm definitiv einen Handlungsspielraum.
Der Sicherheitsmann beendete seine Arbeit, verließ die Zelle und schloss die Tür lautlos hinter
sich.
Caine überdachte noch immer seine Optionen, als er wieder in den Schlaf
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