Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
einem der Bodyguards.«
Er hatte mit einem Wutausbruch seines unberechenbaren Herrn und Meisters gerechnet, doch dessen Reaktion übertraf seine Erwartungen. Zunächst völlig sprachlos, schlug Martinelli immer heftiger auf den Tisch. Schließlich fand er seine Stimme wieder. »Töte ihn! Bring den Kerl um! Hole sie her!«
Tiziano nickte, paffte seine Zigarette und ließ den Chef Dampf ablassen. Das Problem war, dass Caterina dreißig und Martinelli sechsundsechzig war. Außerdem sah sie hinreißend aus und wusste genau, wie man Männer benutzte. Es hätte langfristig zwischen ihnen ohnehin nicht geklappt, doch weil der Boss verliebt war, konnte er das nicht erkennen.
Es gab da allerdings noch ein Problem, von dem Tiziano ihm nicht zu berichten wagte: Weil Martinellis Sohn an der Virusinfektion gestorben war, hatte Caterina Angst, er könne ebenfalls infiziert sein.
»Wie alt ist er?« Martinellis Gesichtszüge verzerrten sich.
»Keine Ahnung.«
»Wie konnte sie nur! Ich habe ihr vertraut. Sie ist ein Miststück.«
So ging es weiter. Martinelli lief in seinem Büro herum und trat gegen alles, was ihm in den Weg kam, ganz gleich, wie wertvoll oder antik es war. Nicht zufrieden damit, fing er an, wütend auf die Wände einzuschlagen. Noch nie hatte eine Geliebte ihn verlassen. Er fasste es einfach nicht.
Während er dem Wutanfall des Chefs zuschaute, beschloss Tiziano, eine kleine Notlüge einfließen zu lassen, damit das Theater aufhörte.
»Roberto, vielleicht hat sie das Virus«, sagte er ernst.
»Ach ja?« Martinellis Tonfall hatte sich verändert.
»Ja. Sie hat sich geweigert, mich einzulassen. Sie sah nicht gut aus.«
»Ach ja?« Pause. Wenn sie krank war, dann wollte Martinelli sie nicht; er ließ die Finger von gefährlichen Dingen. »Wie hast du das mit dem Leibwächter herausgefunden? Hat sie es dir verraten?«
»Einer meiner Männer ist dahintergekommen. Hör zu, am besten, du vergisst sie einfach.« Tiziano machte eine knappe, entschiedene Handbewegung. »Vergiss sie! Wir haben Wichtigeres zu tun. Wir brauchen einen Notstandsplan.«
»Wir haben doch einen.«
»Wir müssen ihn überarbeiten. Ich war im Norden.«
»Wo?«
»Ich habe mich im Heli nach Venedig, Mailand, Turin und zurück über Genua fliegen lassen.«
»Wie sieht die Lage aus?«
»Unbeschreiblich.« Tiziano schüttelte den Kopf. »Viele bleiben im Haus und trinken sich zu Tode. Andere sind in die Kirchen geflüchtet oder wandern auf den Straßen herum. Wo sollen sie auch sonst hin? Alles stirbt – sogar die Hunde und die Ratten.«
»Ich fliege hin.«
»Nein. Wir haben uns schon geeinigt, Roberto. Wir können es uns nicht leisten, den Ministerpräsidenten an die Seuche zu verlieren.«
»Aber wir können die Menschen nicht im Stich lassen.«
Tiziano schüttelte den Kopf; der Boss hatte sich zu lange in dem Palast eingeschlossen. »Die Polizeistrukturen sind zusammengebrochen, mit der Armee passiert das in ein paar Tagen. Die halbe Bevölkerung wird in ein, zwei Wochen tot sein. Jeder weiß das.« Der Geheimdienstchef drückte seine Zigarette aus. »Auch meine Leute rafft es im Eiltempo hin. Wir können nichts mehr machen, Roberto. Deshalb müssen wir dich wegbringen.«
»Was, aus dem Palast? Aus Rom?«
»Nein. Vom Festland.«
»Vom Festland?« Martinelli setzte sich verwirrt. »Was meinst du damit?« Das hatte er nicht in Betracht gezogen. Er hatte sich eingeredet, er allein sei gegen die Epidemie gefeit. Aber die Todesfälle in seiner Familie und, schlimmer noch, der Verrat seiner Geliebten begannen, sein Selbstvertrauen zu erschüttern. Natürlich durfte er nicht sterben. Wer sonst sollte denn das Land regieren, wenn es sich erholt hatte?
»Hör zu!« Tiziano beugte sich vor; er hatte einen schlauen Plan. »Vielleicht werden fünf Prozent der Bevölkerung überleben. Vielleicht weniger. Wir warten drei Monate und kehren dann zurück.«
»Aber wohin soll ich?«
»Du kennst doch Isole Alicudi, die Insel vor der sardinischen Küste? Sie gehört einem Franzosen, der mit seiner Pharmafirma ein Vermögen gemacht hat. Er ist unlängst hier in Rom an der Seuche gestorben. Er besaß eine große Villa auf der Insel. Ich bin ein paarmal da gewesen. Erinnerst du dich nicht, dass ich das mal erwähnt habe?«
Martinelli schüttelte den Kopf. Er erinnerte sich gut an Namen und Beleidigungen, aber nicht an Orte.
»Vor ein paar Tagen haben meine Leute alle Einwohner von der Insel verwiesen – bis auf das Dienstpersonal der
Weitere Kostenlose Bücher