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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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er alles aus der eigenen Tasche begleichen. Doch es war ihm leider nicht möglich.
    Béla hatte sechshundert Kronen auf einmal verschwinden lassen, sechs Hunderter. Das Geld hatte ihm der Vater anvertraut, damit er es per Postanweisung an die Adresse eines Geschäftspartners schickte. Béla behielt das Geld und meldete dem Vater nur, daß er die Summe eingezahlt habe, aber die Empfangsbescheinung des Postamts nicht finden könne. Der Adressat, ein Reislieferant, würde die Summe in einigen Tagen gewißreklamieren, und dann wären sie alle verloren.
    Das Eigenartige war, daß Béla diese riesige Summe mit der Clique nicht verrechnet hatte. Sie waren längst daran gewöhnt, daß er stets kleinere Geldbeträge bei sich trug. Die Hunderter schmolzen in Bélas Tasche unmerklich dahin. Bei der Nachforschung stellte sich heraus, daß der Schauspieler, sich auf kleinere Engpässe berufend, von Béla in drei Raten zweihundert Kronen bekommen hatte. Auch die Schneiderrechnung war höher ausgefallen als angenommen, die Endsumme der Rechnung hatte Béla den Freunden verschwiegen, und als der Schneider hartnäckiger zu fordern begann und drohte, die Rechnung an Bélas Vater zu schicken, da beglich er diese Schuld.
    Das Geld war, wie Béla gelassen referierte, bis zum letzten Heller ausgegeben. Für die restlichen dreißig Kronen hatte er sich noch seelenruhig einen Revolver zugelegt, den man ihm mit Gewalt abnahm und Ernő zur Verwährung anvertraute. Béla verfiel in diesen Tagen in tiefe Apathie, seine Wangen wirkten eingefallen, er magerte ab. Bereitete sich auf sein Ende vor.
    Die Clique hielt außerordentliche Beratungen ab, tagsüber und in der Nacht. Das Geld mußte innerhalb von vierundzwanzig Stunden herbeigeschafft und telegraphisch an den Geschäftspartner des Vaters überwiesen werden, bevor ein irreparables Problem entstand. Ábel vollbrachte bei der Tante wahre Wunder an Überredungskunst, bezauberte und betörte sie, doch vierzig Kronen waren das Äußerste, was er lockermachen konnte.
    In diesen Tagen weihten sie den Schauspieler ins Geheimnis des Arabesque ein. Er ging, etwas verunsichert, jedoch phlegmatisch lächelnd, mit ihnen, er leugnete nicht, von Béla Geld genommen zu haben, achselzuckend erklärte er, von der Herkunft des Geldes nichts gewußt zu haben. Ich dachte, ihr seid reich, sagte er und sah gedankenverloren vor sich hin.
    Sie waren nicht reich, aber ihr Warenlager, wie Ernő das Depot im Arabesque nannte, konnte sie vielleicht vor dem Verhängnis bewahren. So kam der Schauspieler im Augenblick der äußersten Not ins Arabesque. »Alle Mann an Deck«, sagte er, den Kommandanten eines sinkenden Schiffes mimend, der seine letzten Anweisungen erteilt. »Einmal zwischen Neapel und Marseille …«, sagte er. Er mußte schwören, das Geheimnis des Arabesque bis zu seinem letzten Atemzug zu bewahren.
    Der Schauspieler hatte kein Problem mit dem Schwur, er machte nur zur Bedingung, daß er den Gehrock dazu anziehen durfte und daß auf dem Tisch vier Kerzen brennen sollten. Das Zimmer im Arabesque betrat er etwas befremdet, mit ungerührtem Gesichtsausdruck; mit über gestreiften Handschuhen, den Hut in der Hand, stand er mitten im Raum, witterte mit sensibler Nase in die Luft und sagte mit starrer Miene blasiert und ohne ein Lächeln: »Hinreißend.« Als er dann die Kostüme sah, leuchteten seine Augen. Sie mußten sie sofort anziehen. Mit kleinen Schreien des Entzückens brachte er seine Begeisterung zum Ausdruck, er band für sie Krawatten; Desinteresse und Blasiertheit seines Auftritts waren vergessen. Immer wieder trat er einen Schritt zurück und musterte mit zusammengezogenen Brauen die Wirkung. An diesem Nachmittag kamen sie in Bélas Angelegenheit nicht voran. Von der plötzlichen Leidenschaft des Schauspielers waren sie alle hingerissen. Béla kleidete sich mit verzweifelter Selbstvergessenheit an und aus, zog einen Anzug nach dem andern an, der Schauspieler wühlte trunken in Krawatten, Seidenhemden und den Parfümerieartikeln, die Béla sorgsam und mit Sachkenntnis angehäuft hatte. Als sie alle in Kostümen posierten, breitete er seine Arme wie ein Dirigent weit aus, machte einen Schritt zurück und musterte jeden einzelnen von ihnen mit ernster und besorgter Miene; sodann nahm er mit in den Nacken geworfenem Kopf und halbgeschlossenen Lidern den Gesamteindruck in sich auf. »Ihr solltet auftreten«, stellte er fest. Und nach einigem Nachsinnen: »Zu einem wohltätigen Zweck.«
    Auch sie waren

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