Die Jury
und drei schwerbewaffnete Deputys begannen damit, die in der Rotunde und in den Fluren wartenden Besucher zu durchsuchen. Jenseits dieser Barriere, im Verhandlungssaal, regelte Prather den Verkehr und wies dem Publikum Plätze auf der einen Seite des Mittelgangs zu; die andere blieb den Geschworenen vorbehalten. Die erste Sitzreihe war für Familienangehörige reserviert, und die zweite füllte sich rasch mit Zeichnern. Sie holten sofort Blöcke und Stifte hervor und hielten den Richterstuhl, die Plätze der Jury und die Bilder der Konföderiertenhelden in Skizzen fest.
Auch der Klan fühlte sich verpflichtet, am Tag des Prozeßbeginns präsent zu sein und sich insbesondere den Vorgeladenen zu zeigen. Zwei Dutzend Kluxer wanderten stumm und in voller Paradetracht durch die Washington Street. Soldaten eilten ihnen entgegen. Der dickbäuchige Colonel watschelte über die Straße und sah sich zum erstenmal in seinem Leben einem ganz Weiß gekleideten Klanmitglied gegenüber, das zufälligerweise dreißig Zentimeter größer war als er. Dann bemerkte er die von der Konfrontation angelockten Kameras, und der kleine Napoleon in ihm verflüchtigte sich. Aus der knurrenden, befehlsgewohnten Stimme wurde ein schrilles, vibrierendes Quieken, das nicht einmal er selbst verstand.
Ozzie rettete ihn. »Guten Morgen, Leute«, sagte er kühl, als er neben dem verunsicherten Colonel stehenblieb. »Ihr seid umstellt und in der Minderzahl. Aber wir wissen auch, daß wir euch nicht verbieten können, hier zu demonstrieren.«
»Stimmt haargenau«, erwiderte der KKK-Anführer. »Folgt mir und haltet euch an meine Anweisungen. Dann gibt es keine Probleme.«
Die Klanmitglieder begleiteten Ozzie und den Colonel zu einem kleinen Bereich des Rasens und erfuhren dort, dies sei ihr Territorium während des Prozesses. »Wenn ihr hierbleibt und euch ruhig verhaltet, braucht ihr von den Soldaten nichts zu befürchten«, meinte der Colonel. Die Kluxer nickten würdevoll.
Der Anblick weißer Kutten brachte die sechzig Meter entfernt stehenden Schwarzen in Rage. »Freiheit für Carl Lee!« riefen sie. »Freiheit für Carl Lee! Freiheit für Carl Lee!«
Die Klanmitglieder hoben die Fäuste und antworteten: »Tod für Carl Lee!«
»Tod für Carl Lee!«
»Tod für Carl Lee!«
Zwei Reihen aus Soldaten säumten den Weg, der den langen Rasen teilte und an der Treppe vor dem Gericht endete. Weitere Uniformierte bezogen zwischen dem Pfad und den Kluxern Aufstellung, und eine vierte Reihe bildete sich vor den Schwarzen.
Die ersten Geschworenen schritten an den Gardisten vorbei. Sie hielten ihre Vorladungen in den Händen und hörten fassungslos zu, wie Klanmitglieder und Schwarze sich gegenseitig anschrien.
Der Ehrenwerte Rufus Buckley erreichte Clanton, hielt an der ersten Absperrung und erklärte den Soldaten, wer er war und was sein Status bedeutete. Man erlaubte ihm, seinen Wagen in unmittelbarer Nähe des Gerichtsgebäudes abzustellen, auf dem Parkplatz des Bezirksstaatsanwalts. Die Journalisten gerieten außer sich. Das mußte jemand wichtiges sein: Er hatte die Barrikade durchbrochen. Buckley saß etwas länger als notwendig in seinem schon älteren Cadillac, damit die Reporter zu ihm aufschließen konnten. Sie umringten ihn, als er ausstieg, doch er lächelte nur und ging betont langsam zur Treppe. Die vielen Fragen stellten dann aber doch eine unwiderstehliche Versuchung für ihn dar, und Buckley verletzte die vom Richter angeordnete Schweigepflicht mindestens achtmal. Dabei lächelte er immerzu und erklärte, daß er die Frage, die er gerade beantwortet hatte, gar nicht beantworten dürfe. Musgrove folgte ihm und trug die Aktentasche des in Publicity schwelgenden Mannes.
Jake ging nervös in seinem Büro auf und ab. Die Tür war abgeschlossen. Ellen tippte unten einen weiteren Bericht. Harry Rex saß im Café, genehmigte sich ein zweites Frühstück und sprach mit den Stammgästen. Die Karteikarten lagen auf dem Schreibtisch, doch Jake konnte sie jetzt nicht mehr sehen. Er blätterte in Unterlagen und trat zur Balkontür. Schreie wehten durchs offene Fenster. Brigance drehte sich um, griff nach einem Manuskript und las einige Zeilen jener Bemerkungen, die er zu Beginn des Verfahrens an die Geschworenen richten wollte. Es kam darauf an, sofort einen guten Eindruck zu erzielen.
Er streckte sich auf der Couch aus, schloß die Augen und dachte an tausend Dinge, mit denen er sich jetzt viel lieber beschäftigt hätte. Größtenteils gefiel
Weitere Kostenlose Bücher