Die Kälte in dir (German Edition)
wies sie als starke Raucherin aus. Sie wirkte von der Nachricht über Osswalds Tod nicht besonders erschüttert und bat Kristina und Finckh in den dunklen Flur, in dem es nach kalter Zigarettenasche roch.
Die Frau lotste sie in die enge Küche und bot ihnen einen Platz an dem schmalen Tisch an, auf dem ein einsamer Kaffeebecher stand. Kristina und Finckh nahmen Platz, während Ilona Piecek sich gegen den Kühlschrank lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte.
»Leben Sie allein?«, fragte Kristina.
Ilona Piecek schüttelte den Kopf, immer noch sichtlich aufgewühlt durch das Auftauchen der Polizei in ihren bescheidenen vier Wänden.
»Mein Mann ist auf Montage, kommt erst in zwei Wochen wieder heim.«
»Sie arbeiten für Egon Osswald?«
Diesmal ein Nicken, verbunden mit einem nervösen Liderflattern. Die Erwähnung des Namens ließ sie ein wenig blasser werden. Auf der Anrichte stand ein mit zahlreichen Stummeln gefüllter Aschenbecher, daneben lagen Zigarettenpackung und Feuerzeug. Ihre Hände wanderten in die Richtung, griffen dann aber nach einem verwaschenen Küchentuch, das über dem Wasserhahn der Spüle hing. Sie brauchte etwas, woran sie sich festhalten konnte.
»Wann haben Sie Osswald zuletzt gesehen?«, fragte Finckh.
»Ich habe nichts angerührt, alles ist an seinem Platz, bitte glauben Sie mir!«
»Beantworten Sie bitte unsere Frage«, forderte Kristina sie auf.
»Er war selten da, wenn ich zum Putzen kam. Ich wusste, was zu tun war, und wenn was Besonderes anfiel, hat er mir Zettel geklebt. Diese gelben, Sie wissen schon.«
»Ich kann nicht sagen, wann ich ihn zuletzt getroffen habe. Vielleicht im Mai. Ich wurde über meine Firma vermittelt, wir hatten ein längeres Gespräch zur Einweisung, danach haben wir kaum mehr Worte gewechselt. Wie gesagt, meistens war er nicht da.«
»Wie lange arbeiten Sie schon für ihn?«
»Beinahe zwei Jahre.«
»Wie oft waren Sie in diesem Monat bei ihm?«
»Zweimal die Woche, wie immer. Zuletzt am Montag«, antwortete sie und knetete dabei das Küchentuch.
Da war Osswald bereits vierzehn Tage tot gewesen, ohne dass die Frau es bemerkt hatte. Das klang recht unglaubwürdig.
»Waren Sie auch im Garten? Die Pflanzen wässern und so?«
»Das machte er selbst oder ein Gärtner, damit habe ich nichts zu tun«, erwiderte sie, und die Antwort kam seltsam barsch über ihre dünnen Lippen.
»Kennen Sie den Gärtner?«
Wieder verneinte sie, nachdem sie einen Blick mit einem hölzernen Jesus Christus gewechselt hatte, der in einer Ecke über dem Küchentisch hing.
»Ist Ihnen sonst etwas aufgefallen in den letzten Wochen? Jemand, der ums Haus geschlichen ist? Ein Wagen, der nicht dort hingehörte?«
Ilona Piecek schüttelte den Kopf.
»Ein unangenehmer Geruch, der beim Lüften ins Haus wehte?«, half Kristina, die nicht glauben wollte, dass in der Zeit, in dem der Hausherr im Garten verweste, alles unverdächtig erschien.
»Heuschnupfen«, erklärte die Zeugin und deutete auf ihre Nase, der man nicht ansah, ob sie verstopft war oder nicht. Die Augen der Frau waren leicht gerötet, aber es musste nicht zwingend von umherfliegenden Blütenpollen stammen.
»Alles war wie immer?«, fragte Kristina.
Plötzlich begann ihr Handy in der Hosentasche zu vibrieren, doch sie wollte den Moment nicht damit zerstören, ein Telefonat entgegenzunehmen.
»Ja«, bestätigte die Frau und legte die Arme um ihren dürren Leib, als wolle sie ihn wärmen.
»Und das Tor? Haben Sie es offen gelassen?«
»Osswald hat einen Drücker im Wagen und normalerweise schließt es automatisch. Manchmal lässt er es offen, wenn er weiß, dass ich komme. Dann muss ich nicht aussteigen, um es aufzuschließen, um vors Haus zu fahren. Aber meistens dachte er nicht daran, oder er war nicht da, wie gesagt.«
»Gibt es außer Ihnen noch jemanden, der einen Schlüssel hat?«
»Ich wüsste nicht, wer«, erklärte Ilona Piecek.
Kristina überlegte, was sie mit dieser Aussage anfangen sollte. Was hatte das offene Tor für eine Bedeutung?
»Warum haben Sie erwähnt, dass Sie nichts aus Osswalds Wohnung entwendet haben?«, wollte Finckh wissen.
Ilona Piecek machte einen Schritt zum Kühlschrank und holte eine Flasche Mineralwasser heraus. Statt zu trinken, drückte sie sich das Glas gegen die Stirn. »Es gab da mal einen Vorfall mit meiner Vorgängerin.«
»Erzählen Sie«, verlangte Finckh. Dicke Schweißperlen glänzten auf seiner Glatze. Er leckte sich über die trocknen Lippen. Der Anblick
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