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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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entfernt wie Amenkor, und so wie Amenkor wurde sie durch einen großen, schwarzen Punkt dargestellt. Der Name der Stadt war in geschwungenen Buchstaben auf das Pergament geschrieben. Der Ort lag in einem gezackten Landausschnitt, der an eine Träne am Rand des Papiers erinnerte. Eine große Insel füllte den tränenförmigen Platz aus. Zwei Kanäle umschlossen die Insel und erstreckten sich weiter ins Landesinnere auf Venitte zu.
    Ich dachte daran zurück, wie ich auf den Felsen über Venittes Hafen gestanden und den ersten Angriff der Chorl vor tausendfünfhundert Jahren beobachtet hatte. Ein Schauder durchlief mich, als ihre Schiffe durch die Kanäle zu beiden Seiten der Insel in Sicht gerieten. Ich spürte Cerrins anfängliche Verwirrung, auf die Grauen und Wut folgten, als die erste Feuersalve von den Chorl-Schiffen aufstieg und auf die Schiffe Venittes im Hafen und die Häuser auf den Felsen fiel.
    William streifte mich. Ich bemerkte seinen besorgten Gesichtsausdruck, runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.
    »Wir sind dem Chorl-Schiff unmittelbar hinter Temall begegnet«, erklärte Tristan, lenkte meine Aufmerksamkeit damit wieder auf die Karte und deutete unmittelbar südlich der Ortschaft auf das Meer. »Ungefähr hier.«
    Catrell legte die Stirn in Falten. »Nur ein Schiff?«
    Tristan nickte, und ein Hauch von Verärgerung schlich sich in seinen Tonfall. »Eines hat genügt, um uns beinahe zu entern. Wäre Brandan nicht auf dem Schiff gewesen …« Er ließ den Satz unvollendet.
    Brandan richtete sich leicht auf. »Ich musste die Sicht einsetzen, um sie abzuwehren«, sagte er.
    Die Spannung, die angestiegen war und sich wieder gelegt hatte, als Brandan angekündigt worden war, machte sich erneut bemerkbar. Es war ein Argwohn, den ich in allen Gardisten im Raum spürte … und überraschenderweise auch in Tristan.
    Der Kapitän schien einen höheren Rang zu bekleiden alsBrandan; dennoch fürchtete er den Begabten. Es war eine Furcht, die sich nicht in seinem Gesicht zeigte, die sich im Fluss aber mühelos spüren ließ.
    »Es überrascht mich, dass Ihr überhaupt entrinnen konntet«, sagte Westen, und in seiner Stimme hörte ich den Widerhall dessen, was Mathew, Erick, Laurren und der Rest der dem Tod geweihten Besatzung der Jungfer durchlitten hatten, als sie von den Chorl angegriffen wurden. Ich hatte mich des Thrones bedient, um alle zu zwingen, diese Ereignisse zu durchleben und ihre Verzweiflung, ihre Schmerzen, ihren Tod zu spüren.
    Tristans Verärgerung wuchs angesichts des Argwohns, der in Westens Stimme lag und der aus Catrells Blick sprach. Es war ein Argwohn, den auch ich empfand … bis mir klar wurde, weshalb Tristans Schiff überlebt und Brandans Anwesenheit die Chorl verscheucht hatte, während Mathew und seine Besatzung rettungslos verloren gewesen waren.
    »Waren Begabte auf dem Chorl-Schiff?«
    »Was meint Ihr damit?«, hakte Brandan nach.
    Die Spannung zwischen den beiden Gruppen wuchs.
    Ich holte zur Beruhigung Luft und erklärte: »Wir haben selbst ein Schiff entsandt, um herauszufinden, weshalb unsere Handelsschiffe verschwunden sind. Es wurde zerstört, weil die Chorl-Schiffe, denen es begegnete, Begabte an Bord hatten – Frauen mit der Sicht, die über Feuer befehligen konnten.«
    Tristans Augen weiteten sich, und er stieß einen leisen Fluch aus. Seine Hand vollführte vor der Brust eine Bewegung, die mich an die Geste des Geisterthrones erinnerte, die Amenkors Bewohner machten, wenn sie mich sahen.
    Brandan verdrehte die Augen. »Nein, sie hatten keine Begabten an Bord.«
    »Nicht, soweit wir wissen«, fügte Tristan in ernsterem Tonfall hinzu. Dasselbe Verhalten war mir bei der Erwähnung des Feuers von fast jedem Kapitän und Seemann entgegengebracht worden, die ich am Kai getroffen hatte.
    Brandan verlagerte das Gewicht, runzelte die Stirn und heftete den Blick auf die Karte.
    Ich blickte verkniffen drein.
    »Wenn sie Begabte an Bord gehabt hätten«, meldete sich Eryn mit harter Stimme zu Wort, »hätten sie bestimmt eingegriffen.«
    »Es muss ein Kundschafterschiff gewesen sein«, meinte Catrell und lenkte die Aufmerksamkeit aller Anwesenden wieder auf die Karte. »Offenbar haben sie es auf Temall abgesehen.«
    »Mit gutem Grund.« Avrell lehnte sich von der Karte zurück und stützte sich mit der Hand auf dem Tisch ab. »Die Bootsmannsbucht und das umliegende Gebiet mögen genug Nahrung geboten haben, dass sie über den Winter kamen, aber nicht genug, um auch noch den

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