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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Endlich.«
    »Ich rufe seit Stunden bei dir an. Wo warst du?«
    »Einkaufen, in Throckmorton’s Minimarket auf der Kingston Avenue. Ich hab da ein paar Russen getroffen, die noch nicht lange hier sind, und ihnen ein paar von den Witzen erzählt, die ich damals in Moskau unter die Leute gebracht habe, als ich bei der Unterabteilung Marx war. Willst du einen hören?«
    »Mm-hm.« Egal, wenn sie nur weiter redete.
    Sie kicherte schon über die Pointe, ehe sie überhaupt anfing.
    »Okay«, sagte sie und riss sich zusammen. »Drei Männer landen in derselben Gefängniszelle. Nach einer Weile fragt der Erste den Zweiten: ›Weswegen bist du hier?‹ Sagt der Zweite: ›Ich war gegen Popow. Und du?‹ Sagt der Erste: ›Ich war für Popow.‹ Daraufhin sehen die beiden den Dritten an und fragen: ›Warum haben sie dich verhaftet?‹ Sagt der: ›Ich bin Popow.‹«
    Sie wurde ärgerlich, als Martin nicht lachte. »Als ich den beim russischen Schriftstellerverband erzählt habe, lagen die Leute vor Lachen auf dem Boden. Und du kapierst ihn nicht?«
    »Ich hab ihn kapiert, Stella. Aber er ist nicht lustig. Er ist traurig. Die Leute in Russland haben nicht darüber gelacht. Sie haben geweint.«
    Stella dachte nach, »Da könnte was dran sein. He, von wo rufst du diesmal an? Murmansk an der Barentssee? Irkutsk am Baikalsee?«
    »Stella, pass auf. Weißt du noch, wie ich das allererste Mal angerufen habe?«
    »Wie könnte ich das vergessen. Ich hab dich gefragt, ob du es dir anders überlegt hättest, und du hast gesagt, nein, du hättest deinem Herzen einen Ruck gegeben. Du hattest angerufen von einem Telefon an –«
    Er fiel ihr ins Wort. »Aus einer Telefonzelle, in der es nach Terpentin stank.«
    Er hörte, wie ihr der Atem stockte. »An der Kreuzung –«
    Wieder unterbrach er sie. »Meinst du, du würdest die Zelle finden, wenn dein Leben davon abhinge?«
    Sie sagte, sehr ruhig: »Mein Leben hängt davon ab.«
    »Sei so nett und bring den Obduktionsbericht mit, den der Typ vom FBI dir geschickt hat.«
    »Noch was?«
    »Mm-hm. Als ich damals deinen Vater kennen gelernt habe, hat er aus der Tasche seines Bademantels ein Souvenir mit Perlmuttgriff genommen und auf ein Regal gelegt, wo ich es sehen konnte. Das hätte ich auch gern, wenn möglich.«
    »Noch was?«
    »Wenn ich ehrlich bin, ja. Ich würde gern den Nachtfalter in Augenschein nehmen.«
    »Kein Problem«, sagte sie. »Den hab ich immer bei mir.«
     
    Sie saßen hinten in einem Diner auf der Kingston Avenue vor ihren Tassen mit lauwarmem Kaffee. Stella sah Martin unentwegt an, formulierte Sätze im Kopf, die ihr dann auf der Zungenspitze kleben blieben. Als sie vor der Telefonzelle an der nordöstlichen Ecke der Schenectady Avenue aufgetaucht war, hatten sie sich kurz und verlegen umarmt. Der schwache Duft von Rosenblättern wehte Martin entgegen. Stella hatte gesagt, es sei an der Zeit, dass sie sich küssten, und das taten sie dann, aber der Kuss war schüchtern und schnell und für beide eine Enttäuschung. Da ihm nichts Besseres einfiel, sagte er, es sei das erste Mal, dass er sie in etwas anderem als in Hosen sah. Sie erwiderte, sie habe den engen, knielangen, schwarzen Rock nur angezogen, um sich als Frau zu verkleiden. Er hatte tatsächlich ein Lächeln zustande gebracht und gesagt, er sei fast drauf reingefallen.
    Er fragte, ob sie sich vergewissert hätte, dass sie nicht verfolgt wurde. Sie erklärte, sie sei auf der Rogers Avenue in eine Eisdiele voller Teenager gegangen und durch den Hinterausgang wieder verschwunden, dann weiter durch menschenleere Seitenstraßen zur Schenectady Avenue und zur Telefonzelle. Mit einem Nicken hatte er sie am Arm gefasst und sie wortlos in Richtung des Diners auf der Kingston Avenue gelenkt. Jetzt, da er ihr gegenübersaß, bemerkte er den neuen Schneidezahn. Er war weißer als die übrigen Zähne und schwer zu übersehen. Das Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten. Er sah die fächerförmigen Fältchen um ihre Augen, die einen leichten Silberblick hatten, als versuchte sie, in ihn hineinzuspähen. Die drei oberen Knöpfe ihres Männerhemdes standen offen, das Dreieck blasser Haut schimmerte auf ihrer Brust.
    Martin räusperte sich. »Du hast mir gedroht, du würdest mir das Tattoo zeigen, wenn wir uns das nächste Mal sehen.«
    »Hier? Jetzt?«
    »Wieso nicht?«
    Stella blickte sich um. An einem Tisch am anderen Ende spielten vier Chinesinnen Mah Jongg, und zwei Tische weiter blickte sich ein junges Pärchen so innig in

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