Die kalte Nacht des Hasses
irgendjemandem mit dem Aufkleber auf ihrer Schulter eine Nachricht hinterlassen, aber er musste auch wissen, dass es ziemlich riskant sein würde, hier lange rumzuhängen, vor allem bei Tageslicht. Sonst wer hätte ihn sehen können. Ich kann gar nicht verstehen, warum er geblieben ist, um auf uns zu schießen, statt einfach so schnell wie möglich abzuhauen.«
»Hätte ich mich nicht geduckt, wäre ich tot. Oder du. Vielleicht wollte er einfach nicht, dass wir ihn verfolgen.«
»Aber warum hat er dann seine Position preisgegeben, indem er auf uns schießt? Warum hat er sie nicht einfach umgebracht und ist abgehauen? Sie saß schön in der Dusche, der Tatort war sauber. Wir hatten ihn nicht gesehen. Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Vielleicht wollte er sehen, wie wir sie finden. Vielleicht macht es ihn an zu beobachten, wie die Polizei und die Spurensicherung auftauchen und seine Arbeit bewundern. Oder wir haben ihn tatsächlich überrascht und er hat Panik bekommen. Wer weiß schon, was er denkt? Der Kerl ist verrückt.«
Buds Handy spielte wieder diese blöde Klassiknummer und ich erkannte an seinem Gesichtsausdruck, dass im Display Briannas Name stand. Er ging nicht ran. Es klingelte, bis sein Anrufbeantworter das Gespräch übernahm.
Vorsichtig ging ich um die Bücher, Videobänder, Teller und Klamotten herum, die auf dem glänzend roten Eichenboden lagen, zu der schwarzen Leder-Bar, die das Wohnzimmer von der Küche abgrenzte. Vier schwarze Eisenstühle standen auf der Wohnzimmerseite. Hildes Gucci-Handtasche war noch da und ich entdeckte einen großen Terminplaner auf dem Tresen, dort wo Lana arbeitete.
»Bist du mit der Handtasche fertig?«, fragte ich sie.
»Ja. Auch mit dem Kalender. Und gleich mit der Küche.«
Ich durchsuchte mit behandschuhten Fingern den Inhalt der Handtasche. Geldscheintasche, noch geschlossen, ein glitzernder, herzförmiger Schlüsselanhänger aus Strass, an dem sieben Schlüssel hingen, eine große durchsichtige Kosmetiktasche aus Kunststoff mit allen möglichen Make-up- und Haarprodukten. Ich zog ein kleines rotes, mit Samt bezogenes Adressbuch hervor, das in einer Seitentasche steckte, dann griff ich nach dem Kalender und blätterte darin.
»Das wird uns helfen, Bud. Hier ist eine Liste all ihrer Termine und Auftritte in den letzten drei Monaten. Und für den nächsten Monat.«
»Gut. Ich habe gerade ihr Portfolio gefunden.«
Bud hielt ein Buch von etwa zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter hoch, das in schickes Krokodilleder eingebunden war. Hildes Name stand in goldenen Schreibschriftbuchstaben in der unteren rechten Ecke der Vorderseite. Bud öffnete es und starrte das erste Foto an. »Mann, das ist wirklich Dreck. Warum musste ausgerechnet sie dran glauben?«
Ich kam näher und warf einen Blick auf das Bild. Hilde war eine schöne Frau gewesen, vielleicht wirklich hübscher als Finn, obwohl ich das echt nicht für möglich gehalten hätte. Ich blätterte die Seiten durch und fand eine Menge unterschiedlicher Posen, viele der Fotos waren nach Schönheitswettbewerben aufgenommen, und sie hielt ein Zepter, eine Krone, und die üblichen Rosen. Immer trug sie ein breites, nettes Lächeln im Gesicht. Ich dachte an das Zitat des Mörders und mein Magen verkrampfte sich. Ich legte das Buch auf den Tresen. Er betrachtete sie als Schurken. Warum?
»Kennst du das Zitat, das er zurückgelassen hat, Bud?«
»Nein.«
»Es ist aus Hamlet, glaube ich.«
»Ich habe keine Ahnung, wo zum Teufel es her ist, aber es klingt ausgesprochen persönlich. Ich wüsste zu gern, warum er sie ausgesucht hat. Es muss um irgendeine Art Verrat gehen. Oder ist es reiner Zufall? Teufel, sie war weniger als eine Woche am See.« Unsere Blicke trafen sich und er schüttelte den Kopf. »O mein Gott, das wird Bri umbringen. Sie erzählt dauernd von Hilde. Sie war richtig stolz auf sie.«
»Sag Brianna, dass wir diesen Typen fertigmachen, darauf kann sie sich verlassen. Sieh dich doch um, Bud. Der Typ war unachtsam. Vielleicht hat er irgendwas im Bad vergessen, oder vielleicht ist das sein Blut draußen auf der Veranda. Wenn es hier ist, wird Buck es finden. Mein Gefühl ist, dass die Sache überhaupt nicht zufällig ist, sondern sehr persönlich, wie du sagst. Aus irgendeinem Grund hat dieser Typ Hilde gehasst.« Ich griff wieder nach dem Taschenkalender. »Ich wette, sein Name steht irgendwo hier in diesem Buch.«
»Ich muss es Bri sagen.«
»Ja. Wenn wir hier fertig sind, fahren wir zu ihr. Soll
Weitere Kostenlose Bücher