Die kalte Nacht des Hasses
Zeit da.«
»Vielleicht sollte ich dir ein paar Fragen stellen, wenn du die Zeit hast.« Ich zog meinen Notizblock und meinen Bleistift heraus. Sie setzte sich neben mich und legte sehr lange, wohlgeformte Beine über Kreuz, die im Moment in sehr schicken schwarzen Seidenhosen steckten. Ihre schwarze Seidenbluse war weit genug aufgeknöpft, um mich darüber in Kenntnis zu setzen, dass sie keinen BH trug, und dass Nicky vermutlich eine Menge Spaß zwischen ihren Brüsten gehabt hatte, als sie noch das Ehebett teilten.
»Ich hoffe wirklich, wir können Freunde werden, Claire. Ich kann dir sagen, und vielleicht überrascht dich das, aber ich wünsche dir und Nicky nur das Beste. Ich habe ihn seit langer, langer Zeit nicht so glücklich gesehen.« Was zum Teufel sollte ich damit denn jetzt wieder anfangen? »Danke, Ma’am, dass Sie mich wissen lassen, wo ich auf Ihrer persönlichen Hitliste stehe«, oder lieber: »Ja, so geht das meinen Freunden immer«? Also sagte ich: »Wirklich?«
Sie lachte leise, und ich stellte überrascht fest, dass es tatsächlich ehrlich klang, und ich erkenne ein ehrliches Lachen, wenn ich eines höre. »Allerdings. Ich habe es versucht, aber ich konnte ihn nie so für mich einnehmen wie es dir gelingt.«
Für mich einnehmen, ja? Ich fragte mich, ob das Sarkasmus sein sollte, und entschied mich, darüber zu scherzen. »Er steht einfach auf meine Schusswunden.«
Sie lachte wieder und wirkte überhaupt nicht zickig oder judasgesichtig, wobei ich mir in dieser Hinsicht allerdings noch nicht sicher sein konnte. Ich habe bisher nicht viel Zeit mit den Exfrauen meiner Lover verbracht, und genau genommen hatte ich bisher auch noch nicht sonderlich viele Lover, aber ich bin ziemlich gut darin, Lügner und Snobs zu erkennen, denn die finde ich schlimmer als einen Becher voll Arsen. Jude war auch nicht hochnäsig. Aber im Grunde überraschte es mich auch nicht, dass Black eine nette Frau geheiratet hatte. Er war auch nicht schlecht darin, Persönlichkeiten einzuschätzen und sich Freundinnen auszusuchen, auch wenn ich das selbst sage. Aber unser Gespräch wurde langsam viel zu persönlich, also kehrte ich zu den offiziellen Angelegenheiten zurück.
»Hast du jemals privat Zeit mit Hilde Swensen verbracht, Jude? Seid ihr zum Beispiel mal zum Abendessen ausgegangen oder habt ihr euch einen Film angeschaut? Du weißt schon, einfach Zeit miteinander verbringen, reden, so was in der Art?«
»Nicht wirklich. So gut kannten wir einander nicht. Wir haben einmal am selben Tisch zu Mittag gegessen, im Miami Four Seasons. Es war eine Veranstaltung im Rahmen des Schönheitswettbewerbes, aber wir haben über nichts auch nur im Entferntesten Persönliches gesprochen. Sie wollte von mir wissen, wie man sich als Model in New York durchschlägt, daran kann ich mich erinnern.« Sie sah mir in die Augen. Ihre waren, na ja, man könnte sagen: exotisch, und die Pupillen waren groß und dunkel, weil es so dämmrig war. Ich konnte beinahe mein Spiegelbild darin sehen. Sie lächelte wieder. »Ich hoffe, es war dir nicht unangenehm, über Nicky zu sprechen.«
Jude war also auch noch aufmerksam. »Keine Sorge, bis mir etwas unangenehm wird, das dauert.«
»Er spricht wirklich in höchsten Tönen von dir. Und ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dich bewundere.«
»Mich?«
»Ja. Ich habe alle Zeitungsberichte über deine Karriere gelesen. Du bist ausgezeichnet in deinem Job. Ich wäre immer gern Polizistin gewesen. Modeln kann so öde sein. Es ist harte Arbeit, versteh mich nicht falsch, aber ganz sicher helfen wir nicht Menschen in Not, so wie Bud und du.«
Das klang mir jetzt doch ein bisschen zu kitschig, aber ich zwang mich, nicht allzu laut und aus vollem Herzen zuzustimmen. Ich stellte sie mir als Starsky zu meinem Hutch vor. Passte nicht gut. Wahrscheinlich würde sie ein marokkanisches Lederholster mit lila Seidenpolster tragen, von Prada natürlich, und allen ihren Tätern mit Diamanten verzierte Handschellen aus massivem Gold anlegen. Ach, wahrscheinlich würden sich die Täter anstellen, um von ihr verhaftet zu werden, nur damit jemand ein Foto mit ihr machte.
Aber sie zu hassen, womit ich eigentlich gerechnet hatte, fiel im Moment aus. Sie war ehrlich, das war mir klar, und sie bewunderte Polizisten. Was wollte ich mehr? Verdammt noch mal, ich konnte nichts Schlechtes an der tollen Jude finden, was sehr ungewöhnlich für mich war. Wahrscheinlich hätten wir tatsächlich Freundinnen sein können,
Weitere Kostenlose Bücher