Die kalte Nacht des Hasses
den elektrischen Stuhl.«
Alle drei nickten, dann begannen sie zu weinen. Die Ältere packte die beiden Jüngeren und drückte sie fest an sich, während der Junge weiter auf und ab ging und überlegte.
»Wir könnten ihn mit seinem Kissen ersticken. Er ist zu betrunken, um sich zu wehren. Dann gibt es keine Wunden und kein Blut, nichts, was wir aufwischen müssten. Und es gibt auch keine Spuren an der Leiche. Niemand wird irgendeinen von euch verdächtigen. Warum sollten sie? Und niemand wird je erfahren, was geschehen ist. Sie werden vermutlich einfach denken, er hätte aus irgendeinem Grunde aufgehört zu atmen. Ihr wisst schon: Aus unbekannter Ursache im Schlaf verstorben.«
Der Junge ließ sie auf dem Boden um ihn herum Platz nehmen und sagte ihnen ganz genau, was sie jetzt machen würden, und dann ganz genau, was sie am nächsten Morgen zu tun und zu sagen hatten. Sie würden aufstehen, die Ältere würde die anderen beide für die Schule fertig machen, als wäre nichts geschehen. Später würde sie der Polizei sagen, dass sie davon ausgegangen wäre, ihr Stiefvater sei einfach wieder einmal vom Trinken bewusstlos geworden, wie in jeder Nacht, seit seine Frau gestorben war.
Sie nickten alle zum Einverständnis und der Junge ging nach oben und holte seine Videokamera. Dann kehrten sie gemeinsam zurück ins Schlafzimmer, zerrten den betrunkenen Mann vom Boden aufs Bett und stopften ihn unter die Laken. Er stöhnte und drehte den Kopf ein wenig, wehrte sich aber nicht. Der Junge filmte vom Fuße des Bettes aus, wie die anderen drei ein Kissen ergriffen, ihm über das Gesicht legten und zudrückten, so fest sie konnten, bis er aufhörte zu atmen. Der Junge schaltete die Kamera ab, führte sie nach draußen, schloss die Tür und sagte ihnen, dass sie nicht vergessen durften, was am nächsten Morgen zu tun wäre. Dann schlich er sich aus dem Haus und ging nach Hause. Die Ältere nahm Sissy und Bubby mit hoch in ihr Bett und hielt sie in den Armen, bis sie einschliefen. Keiner von ihnen weinte. Keiner von ihnen wachte am nächsten Morgen auf, bis der Wecker zur Schule klingelte.
11
Unglücklicherweise erwies sich Walter Costins Stripper-Freundin Pam Letassy, oder auch Smokin’ Hot Wildcat, wenn man ihren Bühnennamen bevorzugte, als zu jung und zu dumm, um mir viel zu bringen. Sie sagte, sie hätte nichts gehört oder gesehen und weder jemanden noch etwas bemerkt, außer Walter, der die Liebe ihres gerade einmal volljährigen jungen Lebens war.
Ich neigte schon aufgrund der rehäuigen, zombiehaften Begeisterung, die sie ihm entgegenbrachte, dazu, ihr zu glauben. Außerdem zitterte sie in ihren hochhackigen Schuhen schon, wenn sie daran dachte, dass ihr Priester-Vater herausbekäme, dass sie in einem Bestattungsunternehmen Sex gehabt hatte, ganz zu schweigen davon, dass sie als Smokin’ Hot Wildcat in einem Stripclub tanzte, was beides wohl wirklich einen ziemlichen Schock für jeden anständigen Kirchenmann im mittleren Westen darstellen würde.
Noch unglücklicherer Weise war Shaggy der nächste Kandidat auf meiner Verhörliste, also rief ich im Leichenschauhaus an, um ihn darüber zu informieren, dass ich unterwegs war, um mit ihm zu reden. Buck sagte mir, Shaggy sei noch immer nicht zurück zur Arbeit, was in meinem Kopf alle möglichen unerfreulichen Gedankenprozesse in Gang setzte. Es ließ ihn zumindest verdächtig dastehen, so war das einfach, und das gefiel mir überhaupt nicht.
Ich musste nach ihm sehen, um auszuschließen, dass er mit der Sache zu tun hatte, und auch das gefiel mir gar nicht. Shaggy könnte ganz sicher keiner Fliege etwas zuleide tun, das war unmöglich. Er war ein selbsternannter Hippie-Peacenik. Das war’s. Shaggy zu besuchen, um ihm gute Besserung zu wünschen, war nicht völlig aus der Luft gegriffen, also hielt ich beim nächsten Quickstopp, angelte mir eine Literflasche kaltes Montain Dew und ein Päckchen Himbeer-Zingers, zwei seiner Lieblinge, wenn sie auch nicht unbedingt wahnsinnig gesund waren.
Shaggy Becker wohnte in einem kleinen weißen Häuschen am Rande von Osage Beach, in dem ich schon öfter zu Besuch gewesen war, normalerweise, um einen Bruce-Willis-Film anzuschauen oder ein Mizzou-Basketballspiel. Es lag ganz am Ende einer Straße, die ziemlich dörflich wirkte, denn sie war auf beiden Seiten gesäumt von großen, Schatten spendenden Ulmen. Sie wirkte vollkommen menschenverlassen, während ich hindurchfuhr, offenbar waren immer noch alle bei der Arbeit.
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