Die kalte Nacht des Hasses
Vielleicht haben wir ja Glück und er erfährt nichts davon, bis ich da bin.«
»Okay, lassen Sie mich mal einen Augenblick drüber nachdenken.«
Charlie drehte sich zurück zum Fenster und starrte eine Weile hinaus. Ich wartete. So war er eben. Ich war es gewohnt und genoss die Stille manchmal sogar. Heute aber war ich ungeduldig und genoss sie nicht sonderlich lang. Ich rutschte auf meinem Stuhl umher, und wartete vielleicht noch eine, höchstens zwei Minuten, bevor meine Geduld gegen eine Ziegelmauer lief und in sich zusammenbrach.
»Ich brauche Buds Hilfe bei dieser Sache, Sheriff, und Sie wissen, dass Bud sehr professionell ist, ein erfahrener Ermittler. Er wird nicht einfach wie ein Wilder losziehen, bloß weil er mit Bri zusammen ist. Sie kennen ihn gut genug.«
Charlie wandte sich mir zu, sagte aber nichts. Ich versuchte es noch einmal. »Ich kann den Großteil der Gespräche allein führen, aber er könnte sich um diese Lippen-Annäh-Sache kümmern, während ich in Florida bin. Ich brauche wirklich Hilfe bei der Geschichte, Sir, und Bud sitzt bloß auf seinen Händen und tut nichts.«
Ich machte wieder eine Pause in der Hoffnung, dass er mich unterbrechen und mir aus ganzem Herzen zustimmen würde. Nichts. Stille. Aber ich gab nicht auf. »Okay, außerdem habe ich das Gefühl, dass Walter Costin aus dem Bestattungsunternehmen irgendwie mit der Sache zu tun hat, ich bin nur noch nicht sicher, wie oder warum. Ich glaube, wenn wir den eine Weile beschatten, wird er vielleicht nervös und führt uns zu irgendetwas Interessantem. Soll ich dem die oberste Priorität einräumen, oder soll ich nach South Beach fliegen, wie ursprünglich geplant?«
»Kommt Nick mit Ihnen mit?«
Ich nickte. »Black hat mir die Nutzung seines Privatflugzeuges angeboten. Er hat gesagt, er müsste sich dort unten um irgendeine Hotelsache kümmern und ich könnte mitfliegen.«
»Gut. Fragen Sie ihn nach dem psychologischen Profil des Täters. Er hat sich in der Vergangenheit schon als nützlich erwiesen.«
»Ich werden ihn mir auf dem Flug vorknöpfen.« Erst zu spät wurde mir klar, wie unpassend das klang, aber dass es wahrscheinlich genau so kommen würde. Glücklicherweise bemerkte Charlie die lustvolle Doppelbedeutung nicht.
»Er soll uns helfen, wenn er kann. Wie ich schon sagte, ich traue ihm.«
»Ja, Sir. Ich auch.«
Ich saß da und wartete höchst ungeduldig, und konnte beinahe Buds Stiefel im Flur draußen auf und ab trotten hören, während er ganz sicher vor sich hin dampfte.
Charlie wandte sich wieder der Straße zu und starrte hinaus. Ich fragte mich, wie er das tun konnte, ohne sich zu langweilen. Oder einzuschlafen.
»Okay, ich werde Bud eine Chance geben, mal sehen, ob er neutral bleiben kann. Er kann Costin beschatten, aber ich will zur Scheiße noch mal, äh, ich meine, es wäre Scheibenkleister, wenn Bud außerhalb meines Zuständigkeitsbereiches in Florida irgendetwas Dummes tut.”
Scheibenkleister? Aus Charlies Mund? O Mann, das war doch wohl ein Witz.
Charlie runzelte die Stirn.
»Sehen Sie mich nicht so an, Claire. Ich habe Ellie Lynn versprochen, dass ich meine Ausdrucksweise hier bei der Arbeit mäßigen würde.«
»Ja, Sir. Das verstehe ich.« Ich wechselte schnell das Thema, aber: Scheibenkleister, wirklich? Ich konnte es kaum glauben. »Bud dem Fall wieder zuzuweisen wird eine riesige Hilfe sein, Sir. Vielen Dank.«
»Wann fliegen Sie?«
»Heute, wenn möglich. Spätestens morgen. So schnell Black es möglich machen kann.«
»In Ordnung, okay, verschwinden Sie und halten Sie mich auf dem Laufenden, verflixt und zugenäht.«
»Ja, Sir.«
Obwohl ich entlassen war, befand sich noch ein großer weißer Elefant im Zimmer, den ich nicht erwähnt hatte, oder er würde zumindest bald hier herumstehen. »Eines noch, Sir, und ich spreche das nur ungern an.« Das ließ ihn aufmerksam werden, aber wirklich.
»Ja? Was denn?«
Ich wollte es nicht sagen, aber ich wusste, dass ich musste. »Na ja, die Sache ist die, also, Shaggys Name ist in einem meiner Gespräche gefallen.«
Jetzt hatte ich seine vollständige Aufmerksamkeit. Mit dem Fensterglotzen war Schluss, sein Stuhl wippte und quietschte zurück in meine Richtung. »Sie meinen, Shag aus Bucks Büro? Johnny Becker?«
»Ja, Sir. Leider.«
»Wie das?«
Ich räusperte mich, leckte über meine trockenen Lippen, wappnete mich gegen die komplette Sheriffswut. »Also, Sir, ich glaube nicht, dass Shaggy mit dieser Angelegenheit zu tun hat,
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