Die Kalte Sofie
Abend.«
Manu lächelte warm. »Hab’s schon gehört. Die Sofie ist grad wieder amal zu Besuch, gell? Da hams sicher a Freud. So selten, wias Eahna sehn …«
»Des is zum Glück vorbei!« Vroni strahlte. »Jetzt bleibts endlich für ganz da. Heut hats ihren ersten Tag bei dene Knochenleser in der Nußbaumstraß. Und am Abend werd gfeiert, im kleinen Kreis.« Jessas! Sie musste Sofie unbedingt vorher abfangen und dafür sorgen, dass die sich was Gscheids anzog anstelle des Aufzugs, in dem sie heut früh losgezogen ist. Sonst war alles umsonst.
»Das freut mich aber, Frau Ilmberger. Da werd ich mir natürlich ganz besonders Mühe geben.« Manu setzte ein verkrampftes Lächeln auf, während sie Vronis Haare trocken rubbelte.
Sofies Besuch war also alles andere als vorübergehend.
Das Luder traute sich was, nach dem Scherbenhaufen, den sie hier zurückgelassen hatte. Erst dem Joe den Kopf verdrehen und ihn vor den Traualtar schleppen, und ihn dann am ausgestreckten Arm verhungern lassen, nur weil sie sich unbedingt ein Studium in den Kopf gesetzt hatte. Warum hatte sie sich nicht einfach mit dem zufriedengeben können, was sie hatte?
Manu fingerte in ihrem lila Friseurkittel nach einer Bürste und begann, Vronis Haare kräftig durchzubürsten.
Sie, Manu, hatte es schließlich auch nicht anders gemacht: ein Mann, Kinder, dazu ein kleiner Halbtagsjob – was brauchte frau mehr? Aber Sofie hatte ja immer schon einen Sturschädel gehabt. Schon damals in der Schule.
Manu verzog das Gesicht.
Beste Freundinnen waren sie damals gewesen. Alles hatten sie sich anvertraut. Und – ja, natürlich hatte Manu ein bisschen nachgeholfen bei dieser Pausenhofliebe. Den Briefboten hatte sie gespielt und die Eltern abgelenkt, damit die beiden für sich sein konnten.
Und was hatte sie davon gehabt?
Nichts. Nur einen bis über beide Ohren verknallten Bruder, der es plötzlich so was von eilig hatte, daheim aus- und mit seiner großen Liebe zusammenzuziehen, und eine beste Freundin, die von einem Tag auf den anderen keine Sekunde Zeit mehr für sie hatte.
Manus Bürstenstriche wurden gröber.
»Au! Pass a bissl auf, Manu!«
»’tschuldigung, Frau Ilmberger!«
Geistesabwesend griff Manu nach einer Flasche aus dem Rollgestell neben ihr.
Erst als es mit der Ehe der beiden bergab ging, da war Manu wieder ins Spiel gekommen. Wenn sie an die vielen Abende und Wochenenden dachte, die ihr armer Bruder allein zu Hause verbracht hatte! Geputzt hatte er neben seiner Arbeit als Streifenpolizist, eingekauft, gekocht, gebügelt, den ganzen Haushalt allein bewältigt. Während sein holdes Eheweib sich an der Universität rumtrieb. Kein Wunder, dass es Joe irgendwann zu bunt wurde. So was macht nun mal kein Mannsbild auf Dauer mit!
Und die Sofie? Hatte nix Besseres zu tun gehabt, als den Joe dann endgültig sitzen zu lassen – nur weil er sich halt zwischendurch was Warmes fürs einsame Ehebett gesucht hatte.
Mechanisch verteilte Manu eine weißliche Flüssigkeit auf Vronis Kopf und strich sie sorgfältig ein.
Gut zwei Jahre war die Scheidung her. Ob Joe inzwischen klüger geworden war? Oder würde er sich von Sofie wieder um den Finger wickeln lassen?
»Dass du mir ned die Wickler vergisst, Manu, gell? Aber die großen. Ned die kloan.«
»Logisch, Frau Ilmberger. Wie immer halt.«
Stirnrunzelnd rollte Manu Vronis feines aschblondes Haar, in das sich hier und da graue Strähnen mischten, auf große Locken wickler und steckte sie mit Nadeln fest. Dann bugsierte sie ihre Kundin unter eine Trockenhaube und stellte die Uhr auf zehn Minuten. Schwerfällig und rasselnd sprang das Gerät an – es hatte auch schon bessere Tage gesehen.
Nein. Ihr Bruderherz war zwar immer noch nicht unter der Haube, leider. Aber auf eine weitere Bauchlandung mit Sofie würde er sich nicht noch mal einlassen. Da war Manu sicher.
»Kaffee?«
»Was?« Vroni legte die Hand ans Ohr. Manus Stimme drang nur spärlich durch das Rattern der Trockenhaube.
»Obs an Kaffee wollen.«
»Gern. Mit Milch und Zucker.«
»Kommt sofort.«
Manu verschwand in einer Nische, während Vroni ihr kopfschüttelnd nachsah. Irgendwas war mit dem Madl heut los. Vielleicht Stress daheim? War ja nicht immer einfach mit zwei halbwüchsigen Schrazn und einem Ehemann, der bei seinem Job in der Post buckelte, vor seiner Familie aber den großen Zampano spielte.
Dieses Schicksal war Vroni zum Glück erspart geblieben. Auch wenn sie es als sitzen gelassene Ehefrau nicht immer einfach
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