Die Kalte Sofie
wie’s geht, meinst ned a?«
Ein Rest von Zweifel blieb.
Als sie kurz darauf an die Pforte gerufen wurde, wusste Sofie nicht, ob sie freundlich bleiben oder nicht eher aus der Haut fahren sollte.
Dann aber erblickte sie Charly Loessl, einen herrlich altmodischen Picknickkorb aus Rohrgeflecht in der rechten Hand.
»Essen muss der Mensch schließlich auch.« Sein Lächeln war ansteckend. »Wie willst du sonst zu brauchbaren Ergebnissen kommen?«
»Erzähl das mal Dr. Iglu! Die Laune von der ist heut sowieso schon wieder weit unter dem Gefrierpunkt.«
»Dann kommt meine kleine Stärkung ja gerade recht. Geht auch ganz flott. Alles Fingerfood.«
Kaum waren sie in Sofies Kabuff, öffnete Charly den Deckel seines Zauberkorbs. Ein Duft strömte Sofie entgegen, anregend, verführerisch – umwerfend. Sogar George schien seinen krawattengeschmückten knöchernen Hals zu recken.
»Ist das deine spezielle Masche?«, murmelte sie erfreut, während sie sich über Grissini mit Parmaschinken, Staudensellerie mit gebeiztem Lachs, Thunfischcreme im Weißbrotmantel, Spinatquiche, winzige Fleischpflanzerl und gebackene Reisbällchen beugte. »Ausgehungerte Frauen bis an den Rand des Wahnsinns zu treiben?«
»Bei der, auf die’s ankommt, klappt’s bis jetzt jedenfalls ganz gut.« Erwartungsvoll schaute er sie an, während er eine Flasche alkoholfreies Bier aus der einen Manteltasche und makellose weiße Stoffservietten aus der anderen ans Tageslicht beförderte. »Besteck, Gläser und Teller – alles im Deckel. Freut mich, dass Großonkel Hugos uraltes Trumm noch einmal zu solchen Ehren kommt. Alles, was uns jetzt noch fehlt, ist ein wenig Platz auf deinem überladenen Schreibtisch …«
Sofie machte sich nur zu gern daran, seiner Bitte nachzukommen. Als sie dabei das Foto des unbekannten Mädchens mit den roten Haaren beiseiteschieben wollte, stutzte Charly allerdings und griff danach.
»Die kenn ich doch von irgendwoher«, rief er. »Wie bist du denn an das Foto gekommen?«
»Gefunden.« Sofie fuhr ein Schauer über den Rücken. »Du weißt also, wer das ist?«
Charly bejahte nachdenklich. »Das Mädchen heißt Annamirl Tanner. Sie war brutal vergewaltigt worden, aber leider viel zu spät zur Polizei gegangen.«
»Also gab es keine Spuren mehr, was den Täter betrifft?«, fragte Sofie.
Charly nickte. »Ich hab damals über den Prozess berichtet. Dürfte etwas mehr als ein Jahr her sein. Den Kerl hatte man zwar gefasst, aber er kam mangels handfester Beweise mit Freispruch davon.«
Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
»Die Augen des Mädchens bei der Urteilsverkündung hab ich bis heute nicht vergessen. Wie – tot. Als wäre in ihr jede Hoffnung erloschen.« Sein sonst so entspanntes Gesicht wirkte plötzlich wie verwandelt. »Und dazu das fiese Lächeln dieses Typen – einfach widerlich!«
Sofie schob sich einen Bissen in den Mund und noch einen gleich hinterher. Sie schmeckte nicht, was sie da aß, aber es beruhigte sie seltsamerweise.
»Gfeiter?«, sagte sie. Mehr Feststellung als Frage. »Der Typ hieß Wolfgang Gfeiter, stimmt’s?«
»Ganz genau! Woher weißt du …?«
Ein Klopfen ließ Charly innehalten.
»Ich schon wieder.« Spike streckte seinen Iro durch die Tür. »Sorry. Scheint, als hätt ich das Talent, immer zu stören.«
»Schmarrn. Was gibt’s denn?«, sagte Sofie, während Moosbichler eintrat, und nahm ein weiteres Häppchen. »Magst auch was probieren?«
»Saugern. Hab seit heut früh nix gegessn.« Spike entschied sich für ein Fleischpflanzerl und schob gleich noch zwei weitere hinterher. »Ich hab die Fingerabdrücke auf dem Kaffeebecher mit denen auf der Wodkaflasche abgeglichen.«
»Und?« Gespannt hing Sofie an seinen Lippen.
»Mei, die san vielleicht göttlich, die Pflanzerl!«, rief Spike begeistert.
»Jetzt mach ned lang rum, sondern spuck aus, was du weißt!«, rief Sofie ungeduldig.
»Ja, was wohl?« Spike grinste genüsslich kauend. »Volltreffer! Und zwar hundert Pro.«
Da schau einer an!
»Also hat die Frau Ministerialdirigent höchstpersönlich dem armen Mychaijl Surtis den Wodka kredenzt! Hab doch gleich gwusst, dass die ned so ahnungslos ist, wie ihr Gatte glaubt.« Mit blitzenden Augen schaute Sofie von Charly zu Spike. »Die muss über alles Bscheid gewusst haben. Und das Alibi, das sie ihrem Mann gegeben hat, sollte einzig und allein sie selbst schützen.«
»Aber warum hat sie den Ukrainer denn um die Ecke bringen wollen?«, fragte Spike
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