Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
so weit angehoben hätte, dass sie auf den Boden zurückplumpste.
Sadie rannte zu ihr und zerrte sie von dem glühenden Graben weg.
Seth brüllte: »Steckst du wieder hinter diesen Tricks, Isis?« Er richtete noch einen Sandstrahl auf die beiden, doch Sadie hielt ihm ihr Zaubermesser entgegen. Der Sandsturm traf auf einen Schutzschild und wurde daran abgeleitet – so dass der Sand die Wände hinter Sadie aushöhlte und einen heiligenscheinförmigen Abdruck im Stein hinterließ.
Ich kapierte nicht, worauf Seth so wütend war, aber ich konnte nicht zulassen, dass er Sadie Schaden zufügte.
Als ich sah, wie sie ganz allein Zia vor dem Zorn eines Gottes schützte, klickte etwas in mir, ein Motor schien sich in einen höheren Gang zu schalten. Mit einem Mal dachte ich schneller und klarer. Wut und Angst verschwanden nicht, aber ich merkte, dass sie nicht mehr wichtig waren. Sie würden mir nicht helfen, meine Schwester zu retten.
Wehr dich nicht, hatte Zia gesagt.
Sie hatte damit nicht Seth gemeint. Sondern Horus. Der Falkengott und ich rangen seit Tagen miteinander, weil er versuchte, die Herrschaft über meinen Körper zu bekommen.
Aber keiner von uns konnte die Vorherrschaft beanspruchen. Das war die Antwort. Wir mussten im Einklang handeln, einander völlig vertrauen, sonst würden wir beide sterben.
Ja, dachte Horus und hörte auf, mich zu drängen. Ich wehrte mich nicht mehr und ließ zu, dass unsere Gedanken zusammenflossen. Ich verstand seine Macht, seine Erinnerungen, seine Ängste. Ich sah jeden Gastkörper, der ihn in über tausend Leben beherbergt hatte. Und er sah meine Gedanken – alles, auch den Kram, auf den ich nicht stolz war.
Das Gefühl lässt sich nur schwer beschreiben. Aus den Erinnerungen von Horus wusste ich, dass diese Art der Vereinigung sehr selten war – ungefähr so selten, wie wenn eine Münze weder Kopf noch Zahl zeigt, sondern senkrecht auf dem Rand stehen bleibt. Er hatte mich nicht in der Hand. Ich benutzte ihn nicht, um mächtiger zu sein. Wir handelten als ein Wesen.
Übereinstimmend sagten unsere Stimmen: »Jetzt.«
Die magischen Fesseln, die uns zurückhielten, zerbarsten.
Um mich herum bildete sich mein Kampfavatar, hob mich in die Luft und umhüllte mich mit goldener Energie. Ich machte einen Schritt nach vorn und hob mein Schwert. Der Falkenkrieger ahmte die Bewegung im Einklang mit meinem Willen nach.
Seth drehte sich um und musterte mich mit kaltem Blick.
»Also, Horus«, meinte er. »Du scheinst die Pedale deines Kinderfahrrads gefunden zu haben, was? Aber das heißt noch lange nicht, dass du fahren kannst.«
»Ich bin Carter Kane«, sagte ich. »Abkömmling der Pharaonen, das Auge des Horus. Und jetzt, Seth – Bruder, Onkel, Betrüger –, werde ich dich wie eine Mücke zertreten.«
38.
Das Haus ist im Haus
Es ging um Leben und Tod und ich fühlte mich super.
Jede Bewegung saß. Jeder Hieb machte so viel Spaß, dass ich am liebsten laut gelacht hätte. Seth wurde immer größer, bis er mich schließlich überragte und sein eiserner Zauberstab so lang wie ein Bootsmast war. Sein Gesicht flackerte, mal war es menschlich, dann wieder sah ich das barbarische Maul des Seth-Tiers.
Schwert und Zauberstab knallten gegeneinander, dass die Funken flogen. Er brachte mich aus dem Gleichgewicht, so dass ich gegen eine der Tierstatuen krachte, die umkippte und zerbrach. Ich fing mich wieder und stürzte mich auf ihn, meine Klinge bohrte sich in eine Ritze seines Schulterschutzes. Als schwarzes Blut aus der Wunde sickerte, heulte er auf.
Er schwang seinen Zauberstab, doch ich wich aus, bevor mir der Schlag den Schädel spalten konnte. Stattdessen riss sein Stab den Boden auf. Wir gingen immer wieder aufeinander los, zertrümmerten Säulen und Wände, Brocken der Decke stürzten auf uns. Plötzlich merkte ich, dass Sadie schrie, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen.
Aus dem Augenwinkel bekam ich mit, wie sie versuchte, Zia und Amos vor den Trümmern zu schützen. Sie hatte hastig einen Schutzkreis auf den Boden gezeichnet und Schutzschilde gegen den herunterfallenden Schutt gebildet, aber mir war klar, wovor sie Angst hatte: Wenn es so weiterging, würde der ganze Thronsaal einstürzen. Ich bezweifelte, dass es bei Seth viel Schaden anrichten würde. Vielleicht spekulierte er genau darauf. Er wollte uns alle hier begraben.
Ich musste ihn ins Freie locken. Wenn ich ihr Zeit verschaffte, würde Sadie vielleicht Dads Sarg freibekommen.
In diesem Moment fiel mir
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