Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
alles eine wissenschaftliche Erklärung. Doch irgendetwas sagte mir, dass Bes nicht auf diese Art Antwort abzielte.
»Rot ist die Farbe des Bösen«, sagte ich. »Die Wüste. Chaos. Zerstörung.«
Bes wischte sich den Sand von den Händen. »Dies hier war ein schlechter Ort, um ein Dorf zu bauen.«
Ich sah mich nach Anzeichen einer Besiedlung um. Der rote Sand erstreckte sich ungefähr hundert Meter in alle Richtungen. Rings um die Fläche wuchsen dichtes Gras und Weiden, der Sand selbst war jedoch vollkommen unfruchtbar. Die Art und Weise, wie er unter meinen Füßen glitzerte und sich bewegte, erinnerte mich an die Hügel aus vertrockneten Skarabäenpanzern in der Duat, die Apophis zurückhielten.
»Hier ist nichts«, sagte ich. »Keine Ruinen. Nichts.«
»Schau noch mal hin.« Bes deutete auf den Fluss. Auf einer Fläche, die so groß wie ein Fußballfeld war, ragte hier und dort altes, abgestorbenes Schilfrohr empor. Dann bemerkte ich, dass das Schilfrohr kein Schilfrohr war – es waren verfaulte Bretter und Holzstangen, die Überreste einer primitiven Siedlung. Ich lief zum Ufer. Das Wasser war ruhig und flach genug, um eine Reihe versunkener Lehmziegel zu erkennen: das Fundament einer Mauer, das sich langsam in Schlamm auflöste.
»Das ganze Dorf versank?«
»Es wurde verschluckt«, korrigierte Bes. »Der Nil versucht, das Böse, das sich hier ereignet hat, davonzuspülen.«
Ich zitterte. Die Bisswunden in meiner Schulter fingen erneut an zu pochen. »Wenn es ein so böser Ort ist, warum hat Iskander Zia ausgerechnet hier versteckt?«
»Gute Frage«, erwiderte Bes. »Wenn du es herausfinden willst, musst du wohl weiter rauswaten.«
Ein Teil von mir wollte zum Pick-up zurückrennen. Das letzte Mal, als ich in einen Fluss gewatet war – in den Rio Grande bei El Paso –, war es nicht besonders gut gelaufen. Wir hatten gegen den Krokodilgott Sobek gekämpft und waren nur um Haaresbreite davongekommen. Dies hier war der Nil. Götter und Monster wären hier so viel stärker.
»Du kommst doch mit, oder?«, fragte ich Bes.
Sein Augenwinkel zuckte. »Fließendes Wasser ist nicht gut für Götter. Löst unsere Verbindung zur Duat …«
Er musste die Verzweiflung auf meinem Gesicht bemerkt haben.
»Na gut«, seufzte er. »Ich laufe direkt hinter dir.«
Bevor ich kneifen konnte, stellte ich einen Stiefel ins Wasser und versank bis zum Knöchel.
»Ekelhaft.« Ich watete hinaus, meine Füße gaben Geräusche von sich, als würde eine Kuh Kaugummi kauen.
Etwas zu spät wurde mir klar, wie schlecht ich vorbereitet war. Ich hatte mein Schwert nicht dabei, das hatte ich in Sankt Petersburg verloren. Es war mir nicht gelungen, es zurückzurufen. Vermutlich hatten es die russischen Magier eingeschmolzen. Mein Zaubermesser hatte ich zwar noch, aber das taugte vor allem für Abwehrzauber. Falls ich angreifen musste, war ich gewaltig im Nachteil.
Ich zog einen verfaulten Stock aus dem Schlamm und stocherte damit im Boden herum. Bes und ich stapften durch das seichte Wasser und hofften, etwas Nützliches zu finden. Als wir mit dem Fuß gegen ein paar Ziegel stießen, entdeckten wir unbeschädigte Mauerreste und fischten einige Tonscherben heraus. Ich dachte an die Geschichte, die Zia mir erzählt hatte – dass ihr Dad die Zerstörung des Dorfes verursacht hatte, weil er einen Dämon ausgrub, der in einer Statue gesteckt hatte. Vielleicht gab es hier ja noch Überreste dieser Statue?
Bis auf Moskitos griff uns nichts an. Wir fanden keine Fallen. Bei jedem Platschen im Fluss musste ich an Krokodile denken (nicht die nette Sorte wie Philipp zu Hause in Brooklyn) oder an die großen Tigerfische mit den vielen Zähnen, die Zia mir einmal im Ersten Nomos gezeigt hatte. Ich stellte mir vor, wie sie um mich herumschwammen – und dabei überlegten, welches Bein schmackhafter wäre.
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich Wasserkräuseln und kleine Strudel, etwas schien mir zu folgen. Als ich mit meinem Stock ins Wasser stieß, passierte jedoch nichts.
Nachdem wir fast eine Stunde gesucht hatten, war die Sonne fast untergegangen.
Uns blieb nicht mehr viel Zeit, doch wir suchten weiter. Das Interessanteste, was wir fanden, war ein matschverschmierter platter Fußball und ein Gebiss. [Ja, Sadie, es war noch ekelhafter als das von Gramps.] Ich blieb stehen, um die Moskitos auf meinem Hals totzuschlagen. Bes fischte etwas aus dem Wasser – einen zappelnden Fisch oder einen Frosch – und steckte es in den Mund.
» Muss
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