Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
massiven Schultern und einem breiten Lächeln auf dem Gesicht, so wie andere ägyptische Särge, die ich gesehen hatte; allerdings war das ganze Ding aus durchsichtiger leuchtender Flüssigkeit geformt. Der Sarkophag stand auf einem Steinpodest in der Mitte einer quadratischen Kammer. Die Wände waren mit ägyptischer Kunst geschmückt, die ich aber nicht weiter beachtete.
Im Inneren des Sarkophags schwebte Zia Rashid in einem weißen Gewand. Ihre Arme waren vor der Brust verschränkt. Mit den Händen umklammerte sie einen Krummstab und eine Geißel, die Insignien eines Pharaos. Links und rechts von ihr schwebten ihr Zauberstab und ihr Zaubermesser. Ihr kurzes schwarzes Haar trieb um ihr Gesicht, das genauso schön war, wie ich es in Erinnerung hatte. Falls ihr je die berühmte Büste der Königin Nofretete gesehen habt: An sie erinnerte mich Zia mit ihren geschwungenen Augenbrauen, den hohen Wangenknochen, der zierlichen Nase und den makellos roten Lippen.
[Sadie findet, ich übertreibe, aber es ist wahr. Nofretete wurde nicht grundlos als schönste Frau der Welt bezeichnet.]
Als ich mich dem Sarkophag näherte, begann das Wasser zu schimmern. Auf den Seitenwänden kräuselte sich eine Strömung und zeichnete immer wieder dasselbe Symbol.
Bes gab ein Knurren von sich. »Du hast mir nicht erzählt, dass sie ein Gottling ist.«
Das hatte ich tatsächlich zu erwähnen vergessen, aber es war natürlich der Grund, weshalb Iskander Zia versteckt hatte. Als Dad die Götter im British Museum losließ, hatte eine – die Flussgöttin Nephthys – Zia als Gastkörper gewählt.
»Das ist das Symbol von Nephthys?«, vermutete ich.
Bes nickte. »Hast du nicht behauptet, dieses Mädchen wäre eine Feuermagierin?«
»Ja.«
»Hmm. Keine gute Kombination. Kein Wunder, dass der Oberste Vorlesepriester sie in einen Scheintod versetzt hat. Eine Feuermagierin, die eine Wassergöttin beherbergt – das könnte sie umbringen, es sei denn … Ah, das ist ziemlich schlau.«
»Was?«
»Die Kombination von Wasser und Feuer könnte natürlich auch Zias Fähigkeiten tarnen. Falls Iskander versuchte, sie vor Apophis zu verstecken …« Er bekam große Augen. »Heilige Mutter Nut. Sind das Krummstab und Geißel?«
»Ja, ich glaube schon.« Ich war nicht sicher, warum er so schockiert reagierte. »Wurden nicht ein Haufen wichtige Leute damit begraben?«
Bes sah mich ungläubig an. »Du verstehst es nicht, Kleiner. Das da sind der original Krummstab und die original Geißel, die königlichen Insignien Res.«
Plötzlich hatte ich das Gefühl, eine Murmel verschluckt zu haben. Ich hätte nicht überraschter sein können, wenn Bes gesagt hätte: Ach übrigens, du lehnst dich gerade gegen eine Wasserstoffbombe . Der Krummstab und die Geißel von Re waren die mächtigsten Symbole des mächtigsten ägyptischen Gottes. In Zias Händen wirkten sie allerdings überhaupt nicht wie etwas Besonderes. Der Krummstab sah wie eine überdimensionale blau-goldene Zuckerstange aus. Die Geißel war ein Holzstock mit drei Stachelketten an einem Ende. Die Insignien leuchteten weder noch trugen sie die Aufschrift EIGENTUM DES RE .
»Warum befinden sie sich hier?«, fragte ich.
»Weiß nich«, antwortete Bes. »Sie sind es auf jeden Fall. Das Letzte, was ich gehört habe, war, dass sie in den Gewölben des Ersten Nomos eingeschlossen waren. Nur der Oberste Vorlesepriester hatte Zugang. Vermutlich hat Iskander sie zusammen mit deiner Freundin begraben.«
»Um sie zu schützen?«
Bes zuckte mit den Schultern, er schien echt verwirrt zu sein. »Das wäre, als würdest du deine Hausalarmanlage mit einer Atomrakete verkabeln. Total übertrieben. Kein Wunder, dass Apophis sie nicht angreifen konnte. Das ist ein wirklich ernst zu nehmender Schutz gegen das Chaos.«
»Was passiert, wenn ich sie aufwecke?«
»Die Zauber, die sie schützen, würden zerstört. Das könnte der Grund sein, warum Apophis dich hierhergeführt hat. Sobald Zia diesen Sarkophag verlässt, ist sie ein leichteres Angriffsziel. Warum Apophis ihren Tod will oder warum Iskander sich so viel Mühe gegeben hat, sie zu schützen – das weiß ich genauso wenig wie du.«
Ich betrachtete Zias Gesicht. Drei Monate lang hatte ich davon geträumt, sie zu finden. Nun hatte ich fast zu viel Angst, um sie aufzuwecken. Wenn ich den Schlafzauber aufhob, verletzte ich sie vielleicht aus Versehen oder setzte sie einem Angriff von Apophis aus. Selbst wenn alles gut lief – was, wenn sie erwachte
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