Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
eine intelligente Welle, die genau weiß, wie sie einen ersäufen muss. Ich verlor mein Zaubermesser. Meine Lungen füllten sich mit Flüssigkeit. Sämtliche rationale Gedanken lösten sich in Panik auf.
Ich schlug und trat um mich, ich wusste ja, dass ich nur ungefähr einen Meter unter Wasser war, aber ich war nicht in der Lage, mich aufzurichten. Im trüben Wasser konnte ich nichts erkennen. Als mein Kopf die Wasseroberfläche durchstieß, sah ich ein verschwommenes Bild von Bes, der auf einem Wasserspeier herumgeworfen wurde und schrie: » BUH , hab ich gesagt! Hab gefälligst mehr Angst vor mir!«
Dann ging ich wieder unter, meine Hände krallten sich in den Schlamm.
Mein Herz schlug wie wild. Mir wurde schwarz vor Augen. Selbst wenn mir ein Zauberspruch eingefallen wäre, hätte ich ihn nicht aussprechen können. Ich wünschte mir Meergottkräfte, aber das war nicht gerade Horus’ Spezialgebiet.
Als ich schon fast das Bewusstsein verlor, packte mich etwas am Arm. Ich schlug wie wild darauf ein und traf ein bärtiges Gesicht.
Ich tauchte erneut auf und rang nach Atem. Bes war wieder halb unter Wasser und brüllte: »Dämlicher – blub, blub –, ich versuche deinen – blub, blub – zu retten – blub, blub. «
Der Dämon zog mich wieder unter Wasser, doch mit einem Mal waren meine Gedanken klarer. Vielleicht hatte dieser eine Atemzug seinen Zweck erfüllt. Vielleicht hatte mich der Schlag nach Bes aus meiner Panik gerissen.
Ich erinnerte mich daran, dass Horus schon einmal in einer solchen Situation gewesen war. Seth hatte versucht, ihn zu ertränken, indem er ihn in den Nil zog.
Ich klammerte mich an diese Erinnerung und machte sie zu meiner eigenen.
Ich griff in die Duat und kanalisierte die Macht des Kriegsgottes in meinen Körper. Mich überkam Wut. Ich würde mich nicht unter Wasser drücken lassen. Ich folgte dem Weg des Horus. Ich würde mich nicht von irgendeiner dahergelaufenen flüssigen Mumie in nicht mal einen Meter tiefem Wasser ersäufen lassen.
WUUMMMMMMMMMM ! Der Nil explodierte. Ich brach auf einem Schlammfeld zusammen.
Ich war so erschöpft, dass ich zuerst nur husten konnte. Als ich es schaffte, mich hochzurappeln und mir den Schlamm aus den Augen zu wischen, stellte ich fest, dass der Fluss seinen Lauf geändert hatte. Er wand sich nun an den Ruinen des Dorfes vorbei. Im glitzernden roten Schlamm lagen Ziegel und Bretter verteilt, Müll, alte Kleider, der Kotflügel eines Autos und Knochen, die sowohl von Menschen als auch von Tieren stammen konnten. Ein paar Fische zappelten herum und fragten sich wahrscheinlich, wo der Fluss hinverschwunden war. Von den Wasserdämonen war nichts mehr zu sehen. Ungefähr drei Meter weiter steckte Bes bis zur Taille im Schlamm; er hatte eine blutige Nase und starrte mich genervt an. »Normalerweise«, brummte er, »gehört zur Teilung eines Flusses nicht, dass man einen Zwerg verhaut. Los, hol mich hier raus!«
Es gelang mir, ihn herauszuhebeln, was ein dermaßen beeindruckendes Schmatzgeräusch von sich gab, dass ich mir wünschte, ich hätte es aufgenommen. [Vergiss es, Sadie, ich werde nicht versuchen, es im Mikrofon nachzuahmen.]
»Tut mir leid«, stammelte ich. »Ich wollte nicht –«
Er tat meine Entschuldigung mit einer Handbewegung ab. »Du bist mit den Wasserdämonen klargekommen. Nur das zählt. Jetzt wollen wir mal schauen, ob du auch damit klarkommst.«
Ich drehte mich um und sah das Grab.
Es war eine rechteckige Grube von der Größe eines begehbaren Kleiderschranks, die mit Steinblöcken eingefasst war. Zu einer verschlossenen Steintür mit eingemeißelten Hieroglyphen führte eine Treppe hinunter. Die größte Hieroglyphe war das Symbol des Lebenshauses.
»Diese Dämonen haben den Eingang bewacht«, erklärte Bes. »Vielleicht lauern im Grab noch schlimmere.«
Unterhalb des Symbols erkannte ich eine Reihe von Hieroglyphen, die für bestimmte Laute standen:
»Z-I-A«, buchstabierte ich. »Zia ist da drinnen.«
»Und so was«, brummte Bes, »nennen wir im Zauberbusiness eine Falle . Die letzte Möglichkeit, deine Meinung zu ändern, Kleiner.«
Doch ich hörte nur mit halbem Ohr zu. Dort unten war Zia. Selbst wenn ich gewusst hätte, was passieren würde, hätte ich mich wahrscheinlich nicht bremsen können. Ich stieg die Stufen hinunter und stieß die Tür auf.
14.
In der Grabkammer von Zia Rashid
Der Sarkophag bestand aus Wasser.
Er war eine übergroße menschliche Gestalt mit abgerundeten Füßen,
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