Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
auseinander und formt sich neu. Und es ist voller Dämonen.«
»Wer hätte das gedacht?« Ich versuchte, den bitteren Geschmack in meinem Mund herunterzuschlucken. »Wir sind hier also genauso fehl am Platz wie Dämonen in der Welt der Sterblichen. Wir können nirgendwo unbemerkt hingehen und alle, die wir treffen, werden uns nach dem Leben trachten.«
»Ja«, stimmte Zia zu. »Und uns läuft die Zeit davon.«
Sie hatte Recht. Ich wusste nicht genau, wie viel Uhr es in der Welt der Sterblichen war, doch wir waren am späten Nachmittag in die Duat hinuntergestiegen. Mittlerweile war die Sonne bestimmt schon untergegangen. Es war anzunehmen, dass Walt den Sonnenuntergang nicht überlebte. Wer weiß, vielleicht starb er genau in diesem Moment und meine arme Schwester … Nein. Es schmerzte zu sehr, auch nur darüber nachzudenken.
Doch sobald die Sonne am nächsten Tag aufging, würde sich Apophis erheben. Die rebellischen Magier würden den Ersten Nomos angreifen. Wir konnten uns nicht den Luxus erlauben, durch ein feindliches Land zu streifen und gegen alles zu kämpfen, was uns über den Weg lief, bis wir irgendwann fanden, was wir suchten.
Ich starrte Setne böse an. »Ich nehme an, du kannst uns zu dem Schatten führen?«
Er nickte.
Ich drehte mich zu Zia. »Falls er irgendwas sagt oder etwas tut, das dir nicht passt, fackel ihn ab.«
»Mit Vergnügen.«
Ich befahl den Bändern, sich nur um seinen Mund zu lösen.
»Heiliger Horus, Kumpel!«, beschwerte er sich. »Warum hast du mich gefesselt?«
»Tja, mal überlegen … vielleicht, weil du versucht hast, mich umbringen zu lassen?«
»Ach, das?« Setne seufzte. »Hör zu, Kumpel, wenn du jedes Mal, wenn ich versuche, dich umzubringen, so überreagierst –«
»Überreagierst?« Zia rief einen weiß glühenden Feuerball in ihre Hand.
»Okay, okay!«, sagte Setne. »Hör zu, dieser Dämonenkapitän wäre so oder so auf euch losgegangen. Ich hab nur ein bisschen nachgeholfen. Und ich hatte meine Gründe dafür! Wir mussten hierherkommen, ins Land der Dämonen, oder? Ohne die Hoffnung, euch umzubringen, hätte euer Kapitän niemals eingewilligt. Das ist schließlich seine Heimat! Wenn sie nicht gerade Lust auf einen kleinen Imbiss haben, bringen Dämonen niemals Sterbliche hierher.«
Ich durfte nicht vergessen, dass Setne ein Meister im Lügen war. Alles, was er mir erzählte, war hochgradiger Quatsch. Aber auch wenn ich mich innerlich gegen seine Worte wappnete, war es schwierig, sie nicht plausibel zu finden.
»Du hättest mich also von Blutige Klinge umbringen lassen«, sagte ich. »Allerdings für einen guten Zweck.«
»Ach, ich wusste, dass du mit ihm fertigwirst«, sagte Setne.
Zia hielt die Schriftrolle hoch. »Und deshalb hast du dich mit dem Buch des Thot davongemacht?«
»Davongemacht? Ich wollte alles auskundschaften! Ich wollte den Schatten finden, damit ich euch hinführen kann! Aber das ist nicht so wichtig. Wenn ihr mich freilasst, kann ich euch immer noch zum Schatten von Apophis bringen, und zwar unbemerkt.«
»Und wie das?«, fragte Zia.
Setne schnaubte empört. »Püppi, ich habe schon gezaubert, da sind deine Vorfahren noch in Windeln herumgerannt! Und auch wenn es stimmt, dass ich nicht alle Zaubersprüche der Sterblichen anwenden kann, die ich gern benutzen würde …« Er blickte sehnsüchtig auf das Buch des Thot. »Dafür habe ich aber ein paar Tricks gelernt, die nur Geister können. Löst meine Fesseln und ich werd’s euch zeigen.«
Ich sah Zia an. Es war klar, dass wir dasselbe dachten: Schreckliche Vorstellung, aber wir hatten keine Alternative.
»Ich kann nicht fassen, dass wir das ernstlich in Erwägung ziehen«, brummte sie.
Setne grinste. »Hey, ihr seid doch klug. Das ist das Beste, was ihr tun könnt. Außerdem will ich, dass ihr Erfolg habt! Wie ich schon sagte, ich möchte nicht von Apophis vernichtet werden. Ihr werdet es nicht bereuen.«
»Das sehe ich anders.« Auf ein Fingerschnippen von mir lösten sich die Bänder der Hathor.
Setnes genialer Plan? Er verwandelte uns in Dämonen.
Na gut … es war genau genommen nur ein Zauber, der uns wie Dämonen aussehen ließ, trotzdem war es die beste Illusionsmagie, die ich je erlebt hatte.
Als Zia mich sah, fing sie zu kichern an. Ich konnte zwar mein Gesicht nicht sehen, aber sie erzählte mir, dass ich einen großen Flaschenöffner als Kopf hatte. Was ich hingegen sah, war meine fuchsiafarbene Haut und dass ich haarige krumme Beine hatte wie ein
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