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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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vermute ich.« Seine Stimme triefte von Ironie. »Als Gespenster verkleidet.«
    »Tarnung«, erklärte Mallory kurz, »Schneehemden.«
    »Waas?!«
    »Schnee. Dieses weiße Zeug. Es gibt nämlich auf Navarone ein paar ganz hübsche hohe Berge, die wir vielleicht besteigen müssen. Deshalb also – Schneehemden.«
    Miller sah aus wie vor den Kopf geschlagen. Wortlos streckte er sich lang an Deck aus, schob die Hände unter den Kopf und schloß die Augen. Mallory lächelte Andrea an.
    »Bild von einem Manne, der noch sein volles Quantum Sonnenschein konsumieren will, ehe er den Kampf mit der arktischen Einöde aufnimmt …! Keine schlechte Idee übrigens. Du solltest dir eigentlich auch ein bißchen Schlaf gönnen. Ich werde erst mal für zwei Stunden die Wache übernehmen.«
    Fünf Stunden hielt das Boot seinen Kurs parallel der türkischen Küste, in ungefähr nordnordwestlicher Richtung und selten weiter als zwei Meilen vom Land. Entspannt und von der noch freundlichen Novembersonne durchwärmt, saß Mallory ganz vorn, in den stumpfen Bug geklemmt, und ließ den Blick pausenlos über Himmel und Horizont ringsum wandern. In der Mitte des Decks lagen Andrea und Miller schlafend auf den Planken. Casey Brown widersetzte sich noch jedem Versuch, ihn im Maschinenraum abzulösen. Gelegentlich, aber nur selten, kam er herauf, um etwas frische Luft zu schöpfen, doch die Pausen zwischen seinem Erscheinen wurden immer länger, da er sich mehr und mehr auf den alten Kelvinmotor konzentrierte, indem er die ungleichmäßig arbeitende Tropfölung und die Luftzufuhr fortwährend neu einstellte. Ingenieur bis in die Fingerspitzen, war er ganz unglücklich über diese Maschine. Müde war er auch und hatte Kopfschmerzen, denn durch das enge Luk kam kaum frische Luft in den Raum.
    Allein im Ruderhaus (einer ungewöhnlichen Einrichtung auf einem so kleinen Boot) studierte Leutnant Andy Stevens die langsam vorbeigleitende türkische Küstenlandschaft. Seine Augen wanderten ebenso pausenlos wie die Mallorys, doch er prüfte nicht so konsequent einen Sektor nach dem andern, sondern blickte von der Küste auf die Karte, von der Karte nach den Inseln voraus an Backbord, Inseln, deren Position sich im Verhältnis zu den nächsten Inseln immer wieder in täuschender Weise änderte, während sie allmählich aus der See emporwuchsen und in der Strahlenbrechung des bläulichen Dunstes schärfere Konturen annahmen. Von den Inseln ging sein Blick zu dem alten Alkoholkompaß, der sich in seinen verrosteten Bügeln kaum wahrnehmbar bewegte, und vom Kompaß wieder zur Küste.
    Manchmal spähte er auch in den Himmel hinauf oder ließ rasch den Blick um den halben Horizont schweifen. Nur eins mied er die ganze Zeit: den halb zersplitterten, von Fliegenschmutz befleckten Spiegel, den sie wieder ins Ruderhaus gehängt hatten. Es war, als seien seine Augen und der Spiegel entgegengesetzte magnetische Pole – er brachte es einfach nicht fertig, hineinzublicken.
    Seine Unterarme schmerzten. Obwohl er am Ruder schon zweimal abgelöst worden war, schmerzten sie abscheulich. An seinen hageren gebräunten Händen, die das riesige Rad hielten, traten die Knöchel weiß hervor. Ein paarmal hatte er schon versucht, die sich verkrampfenden Armmuskeln zu entspannen, aber jedesmal griffen seine Hände, als hätten sie einen eigenen Willen, wieder fester zu. Er spürte auch einen so merkwürdigen säuerlichen und salzigen Geschmack in seinem trockenen, ausgedörrten Mund, einen Geschmack, eine Trockenheit, die nicht weichen wollte, so oft er auch schluckte oder Wasser aus dem von der Sonne gewärmten Krug trank. Es gelang ihm ebensowenig wie er den krampfigen Klumpen zu lösen vermochte, der ihn im Leib, dicht über dem Magen, hart drückte, oder das Zittern überwinden konnte, das immer wieder durch sein rechtes Bein fuhr.
    Leutnant Andy Stevens hatte Angst. Er hatte bisher noch keinen Kampf erlebt, aber das war es nicht, und Angst hatte er jetzt nicht zum erstenmal. Sein ganzes Leben hatte er sich gefürchtet, so weit er zurückdenken konnte, und das war ein langer Weg: bis zu seiner Kinderzeit, als er eben auf die Vorschule gekommen war. Da hatte sein berühmter Vater, Sir Cedric Stevens, damals einer der meistgepriesenen Forscher und Bergsteiger, ihn zu Hause einfach ins Schwimmbassin geworfen und behauptet, nur so lerne ein Junge richtig schwimmen. Er wußte noch, wie er sich glucksend und schluckend bis an die Seitenwand des Bassins zurückgekämpft hatte, in

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