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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Funkspruch in Vathy auf Samos anfragen und sich die Nägel bis zum Ellbogen abkauen vor Ungeduld, ehe die Antwort kommt, daß Graebel von uns keine Ahnung hat und warum sie uns nicht längst niedergeknallt hätten, klar?« Mallory studierte das Leuchtzifferblatt seiner Uhr. »Meiner Ansicht nach haben wir noch gut eine halbe Stunde Zeit.«
    »Und so lange sitzen wir hier herum mit unserem bißchen Papier und Bleistiften und schreiben unsere Testamente«, sagte Miller stirnrunzelnd. »Na, das ist nichts, Boß. Wir müssen was unternehmen.«
    Mallory lächelte. »Keine Sorge, Korporal, wir werden. Wollen gleich ein kleines Saufgelage mit unseren Flaschen veranstalten, hier oben auf dem Achterdeck.«
    Die letzten Worte ihres Liedes – einer schrecklich verballhornten griechischen Version von »Lilli Marlen«, ihrem dritten Lied in wenigen Minuten – verhallten in der Abendluft. Mallory bezweifelte, daß die oben im Turm, gegen den Wind, von ihrem Gesang mehr als ein schwaches Säuseln hörten, aber ihr rhythmisches Fußgetrampel und das wilde Schwenken der Flaschen genügten gewiß, um jedem, der nicht blind und taub war, ihre tolle Trunkenheit zu demonstrieren. Mallory griente, ohne zu sprechen, als er sich vorstellte, wie außerordentlich verwirrt und unsicher die deutschen Wachtposten im Turm jetzt sein mußten. So benahmen sich doch keine feindlichen Spione überlegen sie gewiß –, und schon gar nicht Spione, die wissen, daß sie Verdacht erregt haben und ihre Zeit bemessen ist.
    Er hob wieder die Flasche an den Mund, hielt sie eine Weile hochgekippt und setzte sie wieder ab, ohne von dem Wein getrunken zu haben. Langsam drehte er sich nach den drei Männern um, die mit ihm auf dem Achterdeck hockten: Miller, Stevens und Brown. Andrea war nicht dabei, doch Mallory wußte genau, wo der war: er hockte im Schutz des Ruderhauses, hatte einen wasserdichten Beutel mit Handgranaten bei sich und an einem Schulterriemen einen Revolver.
    »Nun los, Miller«, sagte Mallory kurz, »jetzt haben Sie Ihre große Chance, einen Oscar zu verdienen. Wollen's so echt wie möglich machen.« Er beugte sich vor, stieß Miller mit dem Zeigefinger vor die Brust und brüllte ihn wütend an.
    Miller brüllte ebenfalls, und minutenlang hockten sie so da, ihre wilden Gesten mußten den Eindruck erwecken, daß sie heftig miteinander stritten. Dann sprang Miller auf die Füße und ballte, indem er drohend über dem sitzenden Mallory schwankte, die Fäuste zum Schlagen. Während Mallory sich aufraffte, trat er ein wenig zurück, und sogleich waren sie in einen wilden Boxkampf verwickelt. Es sah aus, als wechselten sie pausenlos schwere Schläge, bis Mallory unter einem gewaltigen Schwinger des Amerikaners zurücktaumelte und mit einem sehr vernehmlichen Krach gegen das Ruderhaus fiel.
    »Jetzt du, Andrea«, sagte er ruhig, ohne sich umzuwenden. »Fünf Sekunden. Alles Gute.« Er raffte sich wieder auf, ergriff eine Flasche beim Hals, sprang mit erhobenem Arm auf Miller los und schlug mit dieser Keule gewaltig zu. Miller wich zur Seite, holte tückisch mit dem Fuß aus, und Mallory brüllte vor Schmerz, als er mit den Schienbeinen gegen die Kante der Verschanzung fiel. Vom bleichen Schimmer des Wassers deutlich abgehoben, stand er taumelnd eine Sekunde, fuchtelte hilflos mit den Armen und stürzte plump, schwer aufklatschend, in den Fluß.
    Für die nächste halbe Minute (so lange brauchte Andrea, um unter Wasser flußauf bis zur nächsten Biegung zu schwimmen) markierten sie an Bord die größte Konfusion und machten einen Höllenlärm. Mallory versuchte, wassertretend, sich wieder an Deck zu ziehen, Miller hatte einen Bootshaken ergriffen und tat, als wollte er ihm auf den Schädel schlagen, während die anderen, die sich inzwischen erhoben hatten, ihn von hinten packten, um das zu verhindern. »Endlich« gelang es ihnen, Miller zu Boden zu werfen, wo sie ihn festhielten, um den triefenden Mallory an Deck ziehen zu können. Eine Minute später schüttelten die zwei Kampfhähne, wie es bei Betrunkenen seit Urzeiten geht, sich die Hände, setzten sich, einander umhalsend, aufs Luk vom Maschinenraum, wo sie in schönster Eintracht aus derselben, frisch geöffneten Weinflasche tranken.
    »Sehr gut gemacht«, sagte Mallory anerkennend, »wirklich sehr gut. Ergibt unbedingt einen Oscar für Korporal Dusty Miller.«
    Dusty Miller antwortete nicht. Schweigsam und deprimiert stierte er auf die Flasche in seiner Hand. Endlich tat er den Mund auf.

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