Die Kanzlerin - Roman
aber jetzt trugen sie zusammen zwei Kisten Bier zur Seilbahn, zwei Packungen Weisswein, sieben Liter Rotwein, und Hilde wuchtete mit Ecstasy Prosecco in die Kabine. »Ich weiss zwar nicht, wer sich da morgen früh auf den Säntis gondeln lassen will, daraus wird ja ein Staatsgeheimnis gemacht«, sagte Hilde, »aber welche Obrigkeiten es auch immer sein mögen, sie werden sich nicht beklagen können. Und jetzt der Käse.«
Tricolor hatte sich nicht mit Ecstasy abgesprochen, weil das keinen Sinn gemacht hätte. Wann und wie der Feuerlöscher ausgetauscht wurde, musste vor Ort entschieden werden, und da waren sie jetzt, und Tricolor fühlte sich fiebrig. In einem günstig scheinenden Moment verschwand er kurz und ging zum Parkplatz.
Aber da stand ein Typ, die Arme verschränkt, und Tricolor spürte sofort, dass der Mann ihn erkannt hatte. »Hallihallo – oder wie begrüsst man sich auf einer Schweizer Alp?«, fragte er, um aus der Offensive heraus agieren zu können.
»Guten Abend«, sagte der Typ und fixierte ihn penetrant.
»Kennen wir uns?«, fragte Tricolor.
»Ich Sie ja, Sie mich nicht.«
Tricolor spürte einen Adrenalinstoss.
»Herr Hamm, wo bleiben Sie denn? Die Arbeit wartet nicht«, schrie Hilde, und der Typ lächelte. »Ach, Herr Hamm. Neuer Deckname?«
Der Kerl hat zwar Polizistenaugen, aber den Rucksack hat er bislang nicht entdeckt, dachte Tricolor erleichtert. »Hilde ruft«, sagte er, »und ich bin hier angestellt. Bin in zwei Minuten wieder da.«
»Bin ein geduldiger Mensch, Hamm.«
»Frau Hilde, leider … ich habe ein kleines Darmproblem und muss – Sie entschuldigen mich bitte –, ich muss gleich noch mal.«
»Männer«, sagte Hilde und verschwand in der Kabine.
Es war eine Angewohnheit, und Tricolor war verdammt froh, dass er diese kleine Angewohnheit seit Jahren pflegte: Seine kleine Drahtschlinge hatte er immer bei sich.
»Was läuft da, Hamm? Dass Sie nicht mehr beim Club sind, ist eine Sache. Aber dass ein Exprofi des Bundesnachrichtendienstes Häppchen vorbereitet für die Kanzlerin: das stinkt. Und zwar gewaltig.«
Tricolor hatte sich entschieden. Das war kein Gegner, mit dem er lange turteln konnte. »Sie kennen meinen Decknamen, Herr …«
»Schwarz«, sagte der Typ, »oder sogar noch etwas Schwärzer. Sagen Sie einfach Lars zu mir.«
Aber da hatte sich Tricolor schon mit einem Hechtsprung auf Schwarzer gestürzt, der auf diese schnelle Attacke nicht gefasst war. Sein Fusstritt in die Magengrube tat trotzdem furchtbar weh, und Tricolor konnte einen Schrei nicht unterdrücken.
»Herr Hamm, ist bei Ihnen alles in Ordnung, oder muss ich helfen?«, rief Hilde.
Aber ab da war es fast totenstill. Zwischen nahkampfgeübten Männern wird so lautlos gekämpft wie zwischen Kampfhunden. Mit seinem Überraschungsangriff hatte sich Tricolor einen entscheidenden Vorteil verschafft. Schwarzer war im Würgegriff, und nach einem Tritt in die Nieren sackte er zu Boden. Tricolor riss ihn an den Haaren hoch und spannte die Drahtschlinge über seinen Hals. Schwarzer kämpfte um sein Leben, aber Tricolor hatte ihn in einem Haltegriff fixiert, aus dem kein Entkommen war. Die Hände über Kreuz, zog er die Schlinge mit aller Kraft zu.
Die Leiche würde er später beseitigen.
Tricolor nahm Schwarzer Portemonnaie und Handy ab, säuberte sich, atmete einmal tief durch und rief schon von weitem: »Frau Hilde, Geschäft erledigt, stehe zu Ihrer uneingeschränkten Verfügung.«
Die beiden Damen und Elias hatten sich wirklich viel Mühe gegeben und die Kabine der Säntisseilbahn festlich hergerichtet: eine runde Drehbar, umrahmt von einer dunkelblauen Couch, ein paar Barhocker, wirklich schön. Elias stellte weisse und rote Kerzen auf die Theke, Hilde füllte die Kühltruhe mit Prosecco, Weisswein, Käsekugeln, Apérogebäck, Fleischspiesschen und leckeren Brötchen, und Ecstasy schmückte die Kabine mit Grünzeug und weissen und roten Blumen. Eine nationale Pracht, dachte Tricolor und merkte nicht, dass er sich in der Aufregung eine Käsekugel in den Mund gesteckt hatte. »Lassen Sie das, Herr Hamm!«, sagte Hilde. »Im Übrigen haben Sie mich bereits angesteckt mit Ihrer Darmverstimmung, ich geh jetzt aufs Klo, und Sie lassen die Finger von den Häppchen, ich habe sie gezählt.« Hilde verschwand Richtung WC-Anlage der Talstation, und das war der Moment. Tricolor stellte sich neben Ecstasy, hielt ihren Kopf und flüsterte ihr zu: »Elias ist beim Transporter. Holt Kuchen. Geh zu ihm. Fick
Weitere Kostenlose Bücher