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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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gesetzt, stand aber sofort wieder auf, als die Kanzlerin ihn anschaute. »Setzen Sie sich, Herr Sachverstand Kriminalität, bitte. Wie sagten Sie vor Tagen, Herr Brack? ›Wir haben die Sache im Griff.‹ Und was war damit gemeint, Herr Flimm?«
    Flimm senkte den Kopf, eine Demonstration von Demut, die der Kanzlerin auf die Nerven ging. »Herr Flimm, Sie haben mir, gebrieft von Herrn Brack, erzählt, dass am Tag der Bundestagswahl ein Attentat auf mich geplant sei. Ort der Veranstaltung: ARD-Hauptstadtstudio. Handelnde Personen: eine Gruppe namens Cookie & Co. Und der Chef des Verfassungsschutzes, und damit meine ich vorläufig noch Sie, Herr Auerbach, hat mir züngelnd erläutert, dass der Zugriff auf diese Bande erst in ein paar Wochen möglich sei, weil man noch Beweise sichern müsse. Dass ich mir aber deswegen keinerlei Sorgen machen müsse. Allein schon darum nicht, weil der Anschlag von Amateuren geplant werde, die derart dilettantisch vorgingen, dass sich echte Geheimdienstleute schämen müssten, sich überhaupt auf ein solches Niveau zu begeben. War das so?«
    Sie hatte ein Elefantengedächtnis. Flimm wusste das, Auerbach und Brack wussten es auch. Also schwiegen sie.
    »Nun ist es anders gekommen«, sagte die Kanzlerin nach einer kleinen Pause, und als Flimm sah, wie niedergeschlagen sie war, stand er auf. »Geehrte Frau Kanzlerin, bevor wir uns zu dem äussern, was Sie eben zu Recht bemängelt haben, also unserer Fehleinschätzung, möchte ich Ihnen das tiefe Mitgefühl unseres Bundespräsidenten übermitteln …«
    »Hab seine SMS gelesen«, sagte die Kanzlerin.
    »… und ich spreche sicher im Namen aller Anwesenden, wenn ich Ihnen sage: Wir sind unendlich froh, dass Sie das Attentat überlebt haben, so grauenhaft der Anschlag auch ist, der so viele Menschenleben gekostet hat.«
    »Fehleinschätzungen sind menschlich«, sagte sie. »Hätte ich auf Putin gehört und ihn genauer befragt, wäre das heute vielleicht nicht passiert. Er hat mich gewarnt, und ich habe ihm Geltungssucht unterstellt. Andererseits, Herren, habe ich Ihnen offenbar eine Kompetenz zugetraut, die Sie mir jetzt zu beweisen haben. Wie erklären Sie es sich zum Beispiel, Herr Brack, dass Ihre Spezialisten vom Bundeskriminalamt wochenlang im Internet eine Terrorgruppe namens Cookie & Co überwachen und von diesen Leuten derart hinters Licht geführt wurden?«
    »Ich habe«, sagte Jens Brack, »selbstverständlich sofort nach dem Attentat meinen EDV-Mitarbeitern exakt diese Frage gestellt, wobei zu erwähnen ist, dass im Prinzip der Bundesnachrichtendienst, also Martin Puller und seine Truppe, federführend ist in dieser Sache …«
    »Herr Brack, Sie können Ihren Kleinkrieg gegen den BND bei anderer Gelegenheit führen, jetzt rede ich mit dem Chef des Bundeskriminalamtes. Und was mir überdies nicht gefällt, ist Ihre fast kindlich hohe Stimme, Herr Brack. Sie sind doch ein Bass oder zumindest ein Bassbariton. Also reissen Sie sich zusammen. Ich habe Sie nicht ins Kanzleramt geholt, damit wir hier herumeiern und schlottern.«
    Tatsächlich änderte Brack seine Tonlage und füllte den Raum mit seiner tiefen Stimme, in der es immer wieder bemerkenswerte Schwingungen gab. Wer ihn kannte, hörte auf seine Tonlagen, weniger auf das, was er sagte. »Mutmasslich haben uns die Terroristen geblufft. Sicher ist, dass sie viel cleverer vorgegangen sind, als wir alle dachten. Rein technisch gesehen ist es denkbar, dass Cookie & Co tatsächlich der richtige Name der Terrorgruppe ist – was zwar eine Unverschämtheit wäre, aber die Arroganz des Vorgehens lässt das vermuten.«
    »Herr Brack, warum konnten die Terroristen unser hochgelobtes BKA linken?«
    »Weil die Gruppe Cookie & Co sich im Netz sozusagen hinter sich selbst versteckt hat – sagen unsere Experten. Weil sie es dem BND und uns vom BKA zwar möglich machte, ihre doppelt oder gar dreifach verschlüsselte Kommunikationsplattform zu knacken, uns aber gleichzeitig so manipulierte, dass wir glaubten, ihr Treiben quasi unter der Lupe beobachten zu können. Heute wissen wir, dass wir bewusst in die Irre geführt wurden und einen vorgegaukelten Terroranschlag verhindern wollten.«
    Verfassungsschutzchef Kai Auerbach ereiferte sich bei diesen Ausführungen derart, dass ihm seine Zunge schon wieder entglitt. Immer wieder leckte er sich die Mundwinkel, bis es der Kanzlerin zu bunt wurde: »Herr Auerbach, mag sein, dass Sie Mist gebaut haben. Mag aber auch sein, dass für einmal die Bösen

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