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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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schließlich eingewilligt hatte. Ohne ein weiteres Wort beendete sie das Gespräch und wandte sich ihrem Computer zu, das unmissverständliche Zeichen, dass Wagner gehen sollte.
    Wagner war der Appetit vergangen. Zurück in seinem Büro, rief er Tanja Sommer an und sagte das gemeinsame Mittagessen ab. Nachdenklich ging er zum Fenster und schaute auf die Straße hinaus, ohne die Spaziergänger und Autos wahrzunehmen. Er war mit sich selbst und seinen widerstrebenden Gefühlen beschäftigt. Warum tue ich mir das an und lasse mich zum Hampelmann machen, weshalb kehre ich dem beschissenen Politikbetrieb nicht einfach den Rücken und schmeiße alles hin?, fragte er sich.
    Er haderte mit sich und seiner Unentschlossenheit. Hatte er sich nicht nach dem Gespräch mit Frau Graf vorgenommen, in der Klinikangelegenheit etwas zu unternehmen? Über Nacht war ihm die Entschlossenheit abhanden gekommen. Nach dem Aufwachen heute Morgen waren ihm tausend Argumente durch den Kopf gegangen, die für vorsichtiges Agieren sprachen. Am Ende hatte er beschlossen, erst einmal mit Bianca Fröhlich zu sprechen. So groß sein Groll auf Marion Klaßen auch war: Manchmal, so wie jetzt, wünschte er sich, wie sie zu sein – mutig, stark und kämpferisch und weniger konfliktscheu.
    Ein Heißhunger auf Schokolade befiel ihn. Er kramte in den Schubladen und entdeckte unter einer schmalen Akte zwei Riegel. Hastig steckte er sie in den Mund. Während er die Schokolade kaute, erschien vor seinen Augen das Bild einer sympathischen jungen Frau aus Celle mit großen braunen Augen und rot gelocktem Haar. Als Marion Klaßen vor drei Jahren auf der politischen Bühne aufgetaucht war, hatte sie ihn schwer beeindruckt. Sie war so frisch gewesen, so unverbraucht und voller Elan. Auch Albi war begeistert von ihr. Allerdings hatte der Parteivorsitzende sich gewundert, dass die junge Abgeordnete über schier unerschöpfliche Geldquellen verfügte, sich einen Starfriseur aus Hamburg und obendrein eine Stilberaterin und einen Medienberater leisten konnte. Wagner hatte von Gerüchten gehört, dass Marion Klaßen von einem reichen Hamburger Unternehmer italienischer Herkunft ausgehalten wurde.
    Wagner fragte sich, ob der Politikbetrieb sie so ungünstig beeinflusst hatte, oder ob sie in Wirklichkeit schon immer so intrigant und skrupellos gewesen war und ihr wahres Gesicht hinter ihrem attraktiven Äußeren versteckt hatte. Alle mussten nach ihrer Pfeife tanzen, selbst Abgeordnete, die seit dreißig Jahren dem Parlament angehörten. Mit unnachgiebiger Strenge befehligte sie die Fraktion. Wagner hatte schon einigen Spitzenpolitikern gedient, doch neben dem Spitzenkandidaten Uwe Stein praktizierte sie den brutalsten Führungsstil. Pietro hatte nicht übertrieben. Genauso wenig wie Stutz, der sich einmal im Suff bei Wagner ausgeheult und ihr Mafiaallüren vorgeworfen hatte. Inzwischen traute auch er ihr so ziemlich alles zu. Dennoch war er nicht wirklich überzeugt davon, dass sie mit dem Doppelmord zu tun hatte. Welches Motiv sollte die Fraktionsvorsitzende denn haben? Oder hatte die Bespitzelung, die Wächter veranlasst hatte, neben den kompromittierenden Nacktfotos noch weitere Peinlichkeiten zutage gefördert? Peinlichkeiten, mit denen Wächter sie erpresst hatte? Doch weshalb dann der zweite Mord? Und wie hing das alles mit dem offensichtlich geplanten Organhandel zusammen?

50
H ANNOVER , L ANDESKRIMINALAMT
    Endlich jemand, der gesprächig war. Verena hatte Frau Heidkamp auf Anhieb am Telefon erreicht. Kaum hatte sie den Namen ihres Mannes erwähnt, sprudelte es aus der Frau heraus wie ein Wasserfall. „Suchen Sie Martin noch immer wegen des Konkursbetruges? Es war damals sehr peinlich für mich. Mein eigener Mann macht sich aus dem Staub, um der Anklage wegen betrügerischer Konkursverschleppung zu entgehen. Ich war ja schließlich keine Unbekannte in Hannover. Also habe ich meine Tochter genommen und bin mit ihr zu meinem Vater gezogen. Aber selbst in Oldenburg war …“
    Verena unterbrach Frau Heidkamp, die wahrscheinlich ewig so weitergeredet hätte. „Ich bin nicht vom Dezernat für Wirtschaftsverbrechen, ich ermittle in zwei Mordfällen. Eines der Opfer war mit Ihrem Mann bekannt.“
    Ihre Bemerkung löste bei Frau Heidkamp Entsetzen aus. „Mord? Sie meinen doch nicht die beiden Morde in Hannover und Eberswalde, über die alle Welt spricht? Sagen Sie bitte nicht, dass mein Mann damit etwas zu tun hat. Das überlebe ich nicht. Mein Vater ist ein

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