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Die Kapuzinergruft

Die Kapuzinergruft

Titel: Die Kapuzinergruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Roth
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beträchtlichen Treppe stehend, die er emporzusteigen gezwungen ist, deren erste Stufe für die gefährlichste hält.
    Wir hatten keinen Diener mehr, nur ein Dienstmädchen. Der alte Hausmeister vertrat bei uns den Diener. Ich schickte ihn gegen neun Uhr früh mit Blumen und einem Brief zu meiner Frau. Ich kündigte meinen Besuch für elf Uhr vormittags an, wie ich es für gehörig hielt. Ich »machte Toilette«, wie man zu meiner Zeit noch zu sagen pflegte. Meine Zivilkleider waren intakt. Ich machte mich zu Fuß auf den Weg. Ich kam eine Viertelstunde vor elf an und wartete im Kaffeehaus gegenüber. Um elf Uhr pünktlich läutete ich. »Die Herrschaften sind nicht zu Hause!« sagte man mir. Blumen und Brief waren abgegeben worden. Elisabeth hatte mir sagen lassen, ich möchte sie sofort in ihrem Büro in der Wollzeile aufsuchen. Ich begab mich also in die Wollzeile.
    Ja, Elisabeth war da. An der Tür verkündete eine kleine Tafel: Atelier Elisabeth Trotta. Ich schreckte vor meinem Namen zurück.
    »Servus!« sagte meine Frau. Und: »Laß dich anschaun!« Ich wollte ihr die Hand küssen, aber sie drückte meinen Arm herunter und brachte mich dadurch allein schon aus der Fassung. Es war die erste Frau, die meinen Arm hinunterdrückte, und es war meine Frau! Ich verspürte etwas von jenem Unbehagen, das mich immer bei dem Anblick von Anomalien und von menschliche Bewegungen vollführenden Mechanismen befallen hatte: zum Beispiel von irren Kranken oder von Frauen ohne Unterleib. Es war aber dennoch Elisabeth. Sie trug eine hochgeschlossene grüne Bluse mit Umlegekragen und langer, männlicher Krawatte. Ihr Gesicht war noch von dem zarten Flaum bedeckt, die Biegung des Nackens, wenn sie den Kopf senkte, erkannte ich noch, das nervöse Spiel der kräftigen, schlanken Finger auf dem Tisch.
    Sie lehnte in einem Bürostuhl aus zitronengelbem Holz. Alles hier war zitronengelb, der Tisch und ein Bilderrahmen und die Verschalung der breiten Fenster und der nackte Fußboden. »Setz dich nur auf den Tisch!« sagte sie. »Nimm von den Zigaretten. Ich bin noch nicht vollkommen eingerichtet.« Und sie erzählte mir, daß sie alles selbst aufgebaut habe. »Mit diesen beiden Händen«, sagte sie und zeigte dabei auch ihre beiden schönen Hände. Und in dieser Woche noch kamen der Rest des Mobiliars und ein orangefarbener Fenstervorhang, und Orange und Zitrone gingen wohl zusammen. Schließlich, als sie mit ihrem Bericht fertig war – und sie sprach immer noch mit ihrer alten, etwas heiseren Stimme, die ich so geliebt hatte! –, sagte sie: »Was hast du die ganze Zeit getrieben?« – »Ich habe mich treiben lassen!« erwiderte ich. »Ich danke dir für die Blumen«, sagte sie. »Du schickst Blumen. Warum hast du nicht telephoniert?« – »Bei uns gibt's kein Telephon!« – »Also, erzähl!« befahl sie – und zündete sich eine Zigarette an. Sie rauchte so, wie ich es seither bei vielen Frauen gesehen habe, die Zigarette in einem verzogenen Mundwinkel ansteckend, wodurch das Angesicht den Ausdruck jener Krankheit bekommt, die von den Medizinern facies partialis genannt wird, und mit einer schwer erworbenen Unbekümmertheit. »Ich erzähle später, Elisabeth«, sagte ich. – »Wie du willst!« erwiderte sie. »Schau dir meine Mappe an.« Sie zeigte mir ihre Entwürfe. »Sehr originell!« sagte ich. Sie entwarf allerhand: Teppiche, Schals, Krawatten, Ringe, Armbänder, Leuchter, Lampenschirme. Alles war kantig. »Verstehst du?« fragte sie. »Nein!« – »Wie solltest du auch!« – sagte sie. Und sie sah mich an. Es war Schmerz in ihrem Blick, und also fühlte ich wohl, daß sie unsere Brautnacht meinte. Auf einmal glaubte ich auch, eine Art Schuld zu fühlen. Aber wie sollte ich sie ausdrücken?
    Die Tür wurde aufgerissen, und etwas Dunkles wehte herein, ein Stück Wind, eine junge Frau mit schwarzen, kurzen Haaren, schwarzen, großen Augen, dunkelgelbem Gesicht und starkem Schnurrbartflaum über roten Lippen und kräftigen, blanken Zähnen. Die Frau schmetterte etwas in den Raum, mir Unverständliches, ich stand auf, sie setzte sich auf den Tisch. »Das ist mein Mann!« sagte Elisabeth. Ich begriff erst ein paar Minuten später, daß es »Jolanth« war. »Du kennst Jolanth Szatmary nicht?« fragte meine Frau. Ich erfuhr also, daß es eine berühmte Frau war. Noch besser als meine Frau verstand sie alles zu entwerfen, was das Kunstgewerbe unbedingt zu erfordern schien. Ich entschuldigte mich. Ich hatte in der Tat weder in

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