Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Hand entziehen, aber ich hielt sie fest. »Wollt Ihr aufhören?«, fragte ich besorgt. »Die Verletzung ist …«
»Ihr glaubt doch nicht im Ernst, Caterina, dass ich jetzt aufhöre, nachdem ich gestürzt bin?«, unterbrach er mich gereizt. »Damit würde ich Euch kampflos den Sieg überlassen! Nein, mia cara, so schnell gebe ich nicht auf. Jedenfalls nicht in dieser Disziplin.«
Ich ahnte, was er meinte. Seine Versuche, in mein Bett zu kommen, waren gescheitert. Seit meiner Rückkehr aus Florenz hatte er nicht mehr an meine Schlafzimmertür geklopft. Aber es war kein kampfloser Rückzug, denn er wollte mich seinem Willen unterwerfen – und wenn es beim Zweikampf mit dem Degen war. Aber ich leistete ihm erbittert Widerstand.
Herausfordernd hob ich meine Waffe und bedrohte ihn spielerisch damit. »Hört auf zu reden, Euer Gnaden!«, provozierte ich ihn.
Er hob seine Waffe auf und ging auf mich los. Unsere Klingen sprühten Funken, als sie mit aller Gewalt aufeinander prallten. Keuchend trieben wir uns gegenseitig über den Hof, duckten uns unter den Tiefschlägen hindurch und hieben auf einander ein, als wollten wir unser Leben verteidigen. Ich war überrascht über seine ungebändigte Wut. Seit wir miteinander fochten, war er noch nie so ungestüm auf mich losgegangen. Was war bloß geschehen?
Seit meiner Rückkehr aus Florenz Anfang Juni 1498 war ein halbes Jahr vergangen. Ich war nach Girolamos Hinrichtung einige Tage bei Niccolò geblieben. Er hatte mich in Ruhe um den Freund trauern lassen, obgleich er meinen Schmerz nicht verstand. Niccolò war erleichtert über den Tod des Fraters, war aber taktvoll genug, seine Gefühle vor mir zu verbergen.
Wenige Tage nach Girolamos Tod hatte Florenz eine neue Regierung gewählt, und Niccolò Machiavelli wurde zum Staatssekretär der Republik ernannt. Schon am Tag seines Amtsantritts begann er engagiert mit seinen Reformen.
Niccolò war ein pflichtbewusster und gewissenhafter Staatssekretär, er arbeitete fleißig, gründlich und zuverlässig. Anstatt wie viele andere seine Macht auszunutzen, übernahm er entschlossen Verantwortung, traf unvermeidliche Entscheidungen und handelte. Freiheit, Würde und Souveränität, das waren seine Ziele – jedoch nicht für sich, sondern für Florenz. Sich selbst, seine körperlichen Bedürfnisse, seine eigenen Wünsche und Ziele, vergaß er bei seiner Arbeit allzu oft. Zum Glück ließ ihm seine Verantwortung kaum Zeit, sich einsam zu fühlen.
Herzog Ludovico dagegen fühlte sich nach Beatrices Tod einsam und von Gott verlassen und suchte meine Nähe – zumindest sagte er mir, dass er so empfand. Wie konnte ich denn ahnen, dass er mich seit meiner Rückkehr aus Florenz nur misstrauisch beobachtet hatte! Wir führten endlose Gespräche, wenn er mir während meiner Experimente im Laboratorium Gesellschaft leistete – meine Versuche mit Spiegeln zur Brechung des Lichts in die Farben des Spektrums und mit geschliffenen Linsen zur Potenzierung des Lichts faszinierten ihn. Ludovico und ich ritten oft gemeinsam aus, und eines Tages bot er sich mir als Fechtpartner an, als Baldassare im Sommer Francesco Gonzaga und Isabella d’Este besuchte. Baldassare wollte im nächsten Frühjahr nach Mantua zurückkehren, um in die Dienste des Marchese zu treten.
Wieder ging Ludovico auf mich los, dieses Mal mit Worten: »Was ist zwischen Euch und Cesare Borgia?«, wollte er wissen, während er einen Angriff vortäuschte.
»Nichts«, antwortete ich und wehrte seinen Degen ab. Ich wich einen Schritt zurück und ließ ihn ins Leere laufen.
»Ihr wart seine Geliebte«, keuchte Ludovico und verfolgte mich. »Was empfindet Ihr für ihn?«
Ich parierte seinen Schlag. »Nichts.«
Ludovico trat einen Schritt zurück, um aus der Reichweite meines Degens zu kommen, blieb stehen und betrachtete mich aufmerksam. »Dann regt es Euch nicht auf, wenn Ihr hört, dass er vor wenigen Wochen den Kardinalspurpur abgelegt hat und Anfang Oktober nach Frankreich abgereist ist, um nach seiner Hochzeit mit Charlotte d’Albret Herzog von Valence zu werden?«
Zögernd ließ ich den Degen sinken. Ludovico beobachtete mich lauernd. Wieso provozierte er mich derart?
»Ich habe mich für ihn gefreut, als König Louis XII . ihm diesen Titel verliehen hat«, gab ich Ludovico eine unverfängliche Antwort. »Charlotte d’Albret ist die Schwester des Königs von Navarra, sie ist mit König Louis von Frankreich verwandt. Damit hat Cesare mehr oder weniger starke Ansprüche
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