Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
leugnen, dass Ihr Euch über ihn geärgert habt, weil er Euch mit seinem Ring und seinem Versprechen sitzen ließ?« Als ich ihm zornig antworten wollte, unterbrach er mich: »Was sollte Cesare oder seinen Vater daran hindern, Euch erneut zu verraten, zu verletzen und am Ende zu töten?«
Ich war viel zu verstimmt durch Cesares Verhalten mir gegenüber, als dass ich darauf eine Antwort gehabt hätte.
»Ihr hasst ihn«, versuchte Ludovico mir einzureden.
»Nein, ich hasse ihn nicht. Ich liebe ihn nur nicht mehr.«
Ludovico nahm mir den Degen aus der Hand, als fürchtete er, ich könnte auf ihn losgehen, wenn er mir mein künftiges Schicksal offenbarte.
»In den nächsten Monaten werdet Ihr sehr viel Gelegenheit haben, Euch über Eure Gefühle für ihn klar zu werden, Caterina. Ihr werdet das Castello nicht mehr verlassen«, entschied der Herzog, während er seine Leibwächter herbeiwinkte. »Ich werde Euch als Geisel hier behalten. Wenn dem Herzog von Valence auch nur ein klein wenig an Euch liegt, wird er Louis davon abhalten, Mailand anzugreifen. Oder mich auch nur zu verärgern.«
Ich war seine Gefangene, wie Ludovico mein Gefangener war.
Er hatte mir verboten, das Castello zu verlassen, und zwang mich unter Androhung von Gewalt, weiter Veleno herzustellen. Er hatte den Befehl gegeben, mich zu töten, sobald die ersten Anzeichen einer Vergiftung bei ihm auftraten.
Ludovico war abhängig von mir. Er glaubte, ohne Veleno nicht leben zu können, er glaubte, ohne mich als Geisel Mailand gegen Cesare nicht halten zu können. Die Erkenntnis seiner eigenen Unfreiheit machte ihn launisch, unerträglich und unberechenbar. Mehr als ein Mal gerieten wir in heftigen Streit, schrien uns an, gingen aufeinander los.
Die Tage vergingen, jeder bis zur letzten Minute angefüllt mit meinen Gedanken an eine Flucht. Sie verwehten wie das Herbstlaub, wurden zu Wochen und Monaten.
Anfang Dezember fiel der erste Schnee. Sehnsüchtig starrte ich aus dem Fenster auf die rieselnden Schneeflocken. Im Castello war es trotz der Kaminfeuer so eisig kalt, dass ich gern ein paar Stunden ausgeritten wäre, um mich ein wenig zu bewegen und aufzuwärmen. Die Schmerzen in meinen Gelenken kehrten zurück – stärker als je zuvor.
Ob Cesare von meiner Gefangenschaft wusste, konnte ich nicht ahnen, denn Ludovico händigte mir meine Post nicht aus. Allerdings glaubte ich nicht, dass Ludovico ihn bereits von meiner Gefangennahme unterrichtet hatte. Diesen gut überlegten, aber nicht ungefährlichen Spielzug wollte er wohl erst wagen, wenn er von Louis und Cesare ash-Shah mat gesetzt worden war. Weder Gianni noch Niccolò schrieben mir in diesen Monaten, und so nahm ich an, dass Ludovico meine Briefe an sie verbrannt hatte. Aber ich erfuhr auch so, welcher Sturm über Italien hinwegfegte: König Louis rüstete zum Krieg.
Eine Tür fiel ins Schloss. Ich hielt den Atem an. Schritte von Stiefeln auf den Stufen, die zu meinem Laboratorium im Turm führten! In der Finsternis versuchte ich, etwas zu erkennen: Vergeblich! Mein Herz schlug schneller. Der Mann blieb stehen und klopfte leise an der Tür. Er rief meinen Namen und klopfte energischer, als ihm niemand öffnete. Es war Ludovico!
Was würde er tun? Die Tür des Laboratoriums aufbrechen lassen? Oder erst mein Schlafzimmer durchsuchen? Wie viel Zeit hatte ich, bis er meine Flucht entdeckte und mich suchen ließ? Ich hielt den Atem an, drückte mich tiefer in die Schatten der Arkaden.
Zwanzig Schritte von mir entfernt, im Innenhof der Rocchetta, saßen drei Bewaffnete und würfelten im Schein einer Fackel. Sie tranken und unterhielten sich nur leise, um den Herzog, dessen Räume im oberen Stockwerk lagen, nicht zu stören. Dass Seine Herrlichkeit noch nicht schlief und mich in meinem Laboratorium suchte, konnten sie ja nicht wissen.
Ich musste mich beeilen. Ludovico würde nicht ruhen, bis er mich gefunden hatte. Unter den Arkaden schlich ich weiter, huschte lautlos von Schatten zu Schatten und erstarrte, als sich einer der Wächter erhob und in meine Richtung kam. Hatte ich ein Geräusch gemacht? Ich drückte mich an die Wand und verschmolz mit den Schatten. Glücklicherweise trug ich in dieser Nacht schwarze Hosen und eine enge dunkelblaue Samtjacke ohne auffällige Stickereien.
Der Mann war bis auf wenige Schritte herangekommen und blieb an einer der Arkadensäulen stehen. Sein Blick versank in der tiefen Finsternis jenseits des Feuerscheins. Hatte er mich gesehen?
Das Geplätscher auf
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