Die Karriere-Bibel
ihr redet, schenkt sie einem stets
ein freundliches Lächeln, nickt oder streicht sich durch die Haare, und wenn man mit ihr diskutiert, sagt sie Sachen wie
»Vielleicht könnten
wir uns darauf einigen, dass …«
oder
»Dafür habe ich vollstes Verständnis
…«
. Kein Mensch würde Claudia verdächtigen, aggressiv zu sein, berechnend oder strategisch. Allerdings vermutet auch keiner,
dass sie besonders durchsetzungsstark wäre. Sie hat viel Liebreiz und ist nett. Zu nett.
In ihrem Umfeld gilt sie als beliebte und talentierte Mitarbeiterin. Aber im täglichen Wettbewerb um Macht, Status und Posten
zieht sie damit den Kürzeren. Nettsein zahlt sich im Beruf nicht aus. Um es ganz deutlich zu sagen: Manchmal hat es mehr Vorteile,
ein Mistkerl zu sein. Das fängt schon bei der Hilfsbereitschaft an: Denjenigen, die anderen ihre Hilfe allzu bereitwillig
zukommen lassen, zollen die meisten weniger Respekt als jenen, die zögern oder ab und an Nein sagen. Es ist das Gesetz von
Angebot und Nachfrage: Was leicht zu haben ist, hat weniger Wert. Wer sich dagegen vornehm zurückhält und rarmacht, wird von
Bittstellern umringt. Die Netten werden zwar schnell gemocht, denn sie machen das Leben leichter. Sie bieten aber auch keinerlei
Reibungsfläche. Deswegen verbinden viele mit ihnen bald nur noch ein Gefühl: Langeweile. Wer uns gelegentlich ärgert, provoziert,
schockiert, zum Lachen und zum Wutschnauben bringt; wer uns mal austrickst und rechts überholt – |194| vor dem haben wir Hochachtung. Vielleicht werden er oder sie nicht unsere besten Freunde, aber solche Leute, davon ist jeder
überzeugt, werden es weit bringen. Kontroverse Menschen sind im doppelten Wortsinn aufregend. Sie stimulieren andere und schöpfen
ihre Möglichkeiten voll aus. Das macht sie durchsetzungsstark, zuweilen rücksichtslos, in jedem Fall aber empfiehlt es sie
für Führungspositionen, wo man es ohnehin nicht allen recht machen kann. Manager werden für Entscheidungsstärke bezahlt, nicht
für Beliebtheit.
Nicht, dass Sie mich missverstehen: Dies ist kein Plädoyer fürs Schweinsein. Durch und durch destruktive Mistkerle sorgen
stets für mieses Klima und eine hohe Personalfluktuation. Ihre Gräueltaten vertreiben Kunden, rauben anderen die Energie und
bremsen Kreativität. Dieses Extrem zahlt sich nie aus! Ganz anders die Grauzone: Wer anderen nur dann und wann einen Stein
des Anstoßes bietet, kommt allemal weiter als ein Wattebällchen.
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7. Juni
Goldene Zeiten – Timing ist alles
Man kann vieles richtig machen – und trotzdem scheitern: Der Termin mit dem Chef steht seit drei Wochen, die Gehaltsverhandlung
ist perfekt vorbereitet, im Gespräch werden vergangene Leistungen sowie der Mehrwert für das Unternehmen betont. Trotzdem
würgt der Chef die Debatte ab, er habe gerade selbst eine Budgetkürzung erfahren. Alle müssen sparen. Und wo man gerade zusammensitzt:
Wie sieht es eigentlich bei der eigenen Abteilung aus? Sparpotenziale???
Timing ist alles. Zur rechten Zeit am rechten Ort sein, die Zeichen der Zeit erkennen, die Gunst der Stunde nutzen, den rechten
Augenblick abpassen, wissen, was die Stunde geschlagen hat – wer im Leben, in der Liebe und im Job bestehen will, muss das
beherrschen. Orchestermusiker ohne Timing klingen wie der Einsteigerkurs für musikalische Früherziehung; Börsenspekulanten
ohne Gespür für den richtigen Moment steigen entweder zu spät ein oder verkaufen zu spät. »Nichts auf der Welt ist so mächtig
wie eine Idee, |195| deren Zeit gekommen ist«, orakelte Victor Hugo, und man möchte hinzufügen: Nichts lässt sie grandioser misslingen als schlechtes
Zeitmaß. Es gibt Dinge, die dulden keinen Aufschub – andere verlangen geradezu danach.
Manchmal hat Timing mit Zufall zu tun: Sie verpassen Ihren Flieger und treffen in der Wartelounge einen Mann, der auf der
Suche nach einem Geschäftsführer ist – jemandem wie Sie. Das ist Glück. Aber selten. Viel öfter ist Timing eine Frage von
Gespür. Erfolgreiche Menschen entwickeln früh Antennen dafür, wann es besser ist, die Klappe zu halten oder selbige aufzumachen.
Und sie wissen, dass es nicht gut ist, mit dem Boss über mehr Gehalt zu sprechen, wenn der gerade schlechte Laune hat. Zum
Timing zählt aber auch das Tempo. Rechtzeitig fertig werden können viele. Dumm nur, wenn Ihr Konkurrent parallel ein glänzenderes
Projekt abschließt. Schlauer wäre, schneller zu sein und die
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