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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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täglich in den vornehmsten und langweiligsten Häusern Parmas sehen. Dem schlauen Rat der Duchezza gemäß machte er den beiden Fürsten, Vater und Sohn, der Fürstin Clara Paolina und Seiner Hochwürden dem Erzbischof in kluger Weise den Hof. Er hatte Erfolg, aber das enthob ihn keineswegs der Todesangst, daß er sich mit der Duchezza überwerfen könnte.

Achtes Kapitel
    So teilte Fabrizzio kaum vier Wochen nach seinem Antritt bei Hof alle Sorgen eines Höflings, und die traute Freundschaft, die das Glück seines Daseins ausmachte, war vergiftet. Gequält von solchen Gedanken, verließ er eines Abends die Gemächer der Duchezza, wo er allzu sichtlich als der bevorzugte Liebhaber gelten durfte, irrte auf gut Glück durch die Stadt und kam am hell erleuchteten Theater vorüber. Er ging hinein. Das war eine unverantwortliche Unvorsichtigkeit für einen Mann seines Standes, die in Parma zu vermeiden er sich eigentlich gelobt hatte; schließlich war es nur eine kleine Stadt von vierzigtausend Einwohnern. Allerdings hatte er vom ersten Tage an seine Berufstracht abgelegt. Wenn er nicht gerade in eine sehr große Gesellschaft ging, trug er abends einfache schwarze Kleidung wie ein Herr in Trauer.
    Im Theater nahm er sich eine Loge im dritten Rang, um nicht gesehen zu werden. Man gab Goldonis ›Locandiera‹. Er musterte die Architektur des Hauses; nach der Bühne wandte er seine Blicke fast gar nicht. Aber das zahlreiche Publikum brach alle Augenblicke in Lachen aus. Fabizzio sah nach der jungen Schauspielerin, die die Wirtin spielte; er fand sie drollig. Er widmete ihr mehr Aufmerksamkeit; sie schien ihm allerliebst und vor allemvoller Natürlichkeit, eine junge Naive, die über die hübschen Dinge, die ihr Goldoni in den Mund legte, immer zuerst lachte und dann ein ganz verdutztes Gesicht machte. Er erkundigte sich, wie sie hieße, und man sagte ihm: Marietta Valserra.
    ›Aha,‹ dachte er, ›sie trägt meinen Namen; das ist merkwürdig.‹ Trotz seinen Vorsätzen verließ er das Theater erst nach Schluß des Stückes. Am anderen Tage kam er wieder. Drei Tage später wußte er die Wohnung von Marietta Valserra. Am Abend desselben Tages, als er dies mit ziemlich viel Mühe erkundet hatte, bemerkte er, daß der Graf ihn liebenswürdig behandelte. Der arme, eifersüchtige Verliebte, der sich nur mit Aufbietung aller Kräfte in den Schranken der Vorsicht hielt, hatte dem jungen Mann Aufpasser nachgeschickt. Sein Kulissenabenteuer machte ihm Spaß. Einen Tag, nachdem er es über sich gebracht hatte, zu Fabrizzio liebenswürdig zu sein, erfuhr er, daß dieser, halb verkleidet in einem langen blauen Rock, in das armselige Stübchen hinaufgeklettert war, wo Marietta im vierten Stock eines alten Hauses hinter dem Theater hauste. Seine Freude verdoppelte sich, als er vernahm, daß Fabrizzio unter falschem Namen mit ihr bekannt geworden war und die Ehre hatte, die Eifersucht eines üblen Kerls namens Giletti zu erregen, der in der Stadt Rollen dritten Ranges spielte und auf den Dörfern als Seiltänzer auftrat. Dieser edle Verehrer Mariettas erging sich in Drohungen gegen Fabrizzio und schwur, er wolle ihn umbringen.
    Die Operngesellschaften werden durch einen Impresario zusammengebracht, der von da und dort Mitglieder anwirbt, je nachdem sie gerade frei sind und von ihm bezahlt werden können. So eine aufs Geratewohl zusammengelaufene Truppe bleibt eine, höchstens zwei Spielzeiten beieinander. Anders verhält es sich mit den Lustspieltruppen. Diese ziehen von Stadt zu Stadt und wechseln den Spielort alle zwei bis drei Monate; sie bilden dabei gleichsam eine Familie, deren Angehörige sich gegenseitiglieben oder hassen. Es gibt bei solchen Gesellschaften richtige Haushalte, wilde Ehen, die auseinanderzubringen den Lebemännern in den Städten, wo die Truppe auftritt, oft große Schwierigkeiten macht. So ging es auch unserem Helden. Die kleine Marietta liebte ihn wohl, aber sie hatte schreckliche Angst vor Giletti, der ihr alleiniger Herr und Gebieter zu sein beanspruchte und sie auf Schritt und Tritt überwachte. Immer und überall drohte er, den Monsignore zu töten; er war Fabrizzio nachgegangen und hatte seinen Namen erkundet. Dieser Giletti war unstreitig das häßlichste Wesen, zu nichts weniger als zur Liebe geschaffen: baumlang, gräßlich mager und stark pockennarbig, auch schielte er ein wenig. Übrigens besaß er gewisse Berufstalente; gewöhnlich kam er radschlagend oder mit einem anderen Kunststück hinter die

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