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Die Karte Des Himmels

Die Karte Des Himmels

Titel: Die Karte Des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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wie sie sie vorgefunden hatten. Dann machte sie sich daran, jeden auch noch so kleinen Beweis dafür, dass sie in letzter Zeit hier gewesen war, zu vernichten. Sie stellte die Tinte in den Schrank zurück und verstaute alles, was sie mitgebracht hatte, in ihrer eigenen Tasche. Bei dem Journal zögerte sie, entschloss sich dann, es in Ölpapier zu wickeln und in das Versteck in der Mauer zu stopfen. Als sie das Versteck öffnete, sah sie die samtene Schachtel mit ihrer Halskette. Den Schmuck hatte sie vollkommen vergessen; es konnte aber sein, dass sie ihn brauchen würde. Sie klappte die Schachtel auf und holte die an der Kette aufgereihten Sterne heraus. Ihr Herz machte einen Sprung, als sie das schöne zauberhafte Funkeln sah. Rasch löste sie ihren Umhang, legte sich die Kette um den Hals. Als sie aufschaute, sah sie Rowans erstaunten Gesichtsausdruck, und, ja, ihr Verlangen. Die Schachtel wanderte in Esthers Tasche, und dann musste sie es irgendwie fertigbringen, das Journal in dem Mauerloch zu verstecken. Es wollte einfach nicht hineinpassen. Unentschlossen stand sie da und rang mit sich. Einerseits war das Tagebuch sehr kostbar, enthielt den Bericht ihrer Entdeckung, andererseits gehörte es zu den anderen, die sich in Starbrough Hall befanden. Sie würde es dort in einem Schrank verstecken. Niemand würde sagen können, seit wann es sich dort schon befand. Aber der Bericht, den sie über sich selbst geschrieben hatte, würde eines Tages vielleicht noch nützlich sein.
    Schließlich legte Esther das Tagebuch auf den Tisch und riss die Seiten heraus, die sie in den vergangenen Tagen geschrieben hatte, wickelte sie in Ölpapier und verstaute sie in ihrer Tasche. Dann ließ sie den Blick ein letztes Mal durch den Raum schweifen und folgte dem Zigeunermädchen die Treppe hinab.
    Draußen schneite es inzwischen heftig, doch der Wind hatte nachgelassen. Gemeinsam beluden sie den Karren und bahnten sich ihren Weg über die Lichtung. Ihnen war klar, dass der Schnee ihre Spuren bedecken würde. Einmal rutschte Esther aus und stürzte. Als Rowan ihr aufhalf, spürte sie, wie ihr die Kette vom Hals glitt. Sie zog ihren Handschuh aus und schob ihn zwischen die Zähne, während sie nach der Stelle tastete, wo die Kette sich in der Spitze ihres Kleides verfangen hatte, und zog sie heraus. Sie hielt den Schmuck mit den Fingern umklammert, genau so, wie sie es vierzehn Jahre zuvor getan hatte. Zusammen mit dem anderen Mädchen verschwand sie im Wald.
    Die einzige Spur, die von Esther zeugte, war ein kleiner goldener Stern, der funkelnd im Schnee lag.
    Als Summer erwachte, lag sie zusammengerollt unter einem Baum. Das frühe Sonnenlicht sickerte durch das Laubdach. Sie war aufgewacht, weil sie fror. Die letzten Fetzen ihres Traums verflüchtigten sich, als sie sich überrascht und erstaunt aufsetzte, nach ihrer Mutter rief und sich umschaute. Als niemand antwortete, rief sie wieder und wieder, warf sich auf den Boden und krümmte sich zusammen wie eine Raupe, die wartete, bis die Gefahr vorüber war. Tränen strömten ihr über das Gesicht. Eine Weile trieb sie zwischen Träumen und Wachen hin und her. Dann spürte sie eine unendlich zarte Berührung an ihrer Schulter, so zart wie ein herabfallendes Blatt. »Mummy?« Sie hob den Kopf. Zuerst konnte sie niemanden sehen. Schließlich hörte sie ein Kichern und bemerkte eine Bewegung hinter dem nächsten Baum. Nein, nicht Mummy. Ihre Neugier war stärker als die Angst, und sie stand auf. Ein anderes Kind, wenn es denn ein Kind war, rannte zum nächsten Baum. Summer nahm nur die Bewegung wahr, aber das Mädchen selbst – sie spürte, dass es ein Mädchen war – sah sie nicht. »Wer bist du?«, rief Summer und jammerte dann: »Ich will zu meiner Mummy.« Sie dachte, dass das Mädchen sie herangewunken habe, sah dann, wie die Blätter sich bewegten, und hörte ein Kichern weiter oben am Weg. Summer lenkte ihre Schritte in diese Richtung. »Wohin gehen wir?«, fragte sie, aber das Mädchen gab keine Antwort. Das Licht wurde nun stärker, die Vögel zwitscherten aus voller Kehle. Summer fühlte sich wesentlich ruhiger. Sie hatte keine Ahnung, wohin das Mädchen sie führen wollte, aber sie spürte, dass alles gut werden würde. Sie stellte sich das Gesicht ihrer Mutter vor und wusste, wusste einfach, dass sie sie bald finden würde. Als sie sich einmal im Supermarkt verloren hatten, hatte ihre Mutter hinterher gesagt: »Wenn du dich jemals verlassen fühlst, mein Schatz, hab keine

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