Die Katze, die für Käse schwärmte
heute nachmittag um sechzehn Uhr zwanzig hat ein Todesopfer und mehrere Verletzte gefordert und großen Sachschaden verursacht. Als Explosionsursache wird eine selbstgebaute Bombe vermutet. Sie hat einige straßenseitig gelegene Zimmer des New Pickax Hotel verwüstet. Unter den Angestellten des Hotels ist ein Todesopfer zu beklagen, das auf der Stelle getötet wurde. Mehrere andere wurden zu Boden geschleudert und von herumfliegenden Trümmern verletzt. Alle Fenster zur Main Street sind zerborsten, und die Fenster umliegender Gebäude haben Sprünge bekommen. Das Hotel wurde evakuiert, und die Main Street ist zwischen der Church Street und der Depot Street für den Verkehr gesperrt. Die Polizei wird den Namen des Todesopfers erst nach Benachrichtigung der nächsten Angehörigen bekanntgeben; auch der Name des Gastes, der das Zimmer bewohnte, in dem die Bombe explodierte, ist noch nicht bekannt. Polizeichef Andrew Brodie erklärte: ›Am Freitagnachmittag sind nicht viele Gäste im Hotel; andernfalls wären noch viel mehr Opfer zu beklagen gewesen. Wir werden Sie laufend über weitere Einzelheiten informieren.«
Qwilleran gab Gas. Als er eine Viertelmeile vor dem Pfosten mit dem Buchstaben K um die letzte Kurve fuhr, sah er gerade noch, wie ein Auto in einer Staubwolke aus der Zufahrt zur Klingenschoen-Hütte herausfuhr. Es bog ohne anzuhalten in die Hauptstraße ein und fuhr Richtung Westen davon. Als er aus östlicher Richtung näher kam, beschleunigte es die Geschwindigkeit.
Er fuhr schneller als sonst über den gewundenen Pfad zur Hütte. Alle seine früheren Vermutungen gerieten jetzt durcheinander. Ihr Auto war weg. Er dachte: Vielleicht hat sie mich nach dem Lammfleisch geschickt, damit sie fliehen konnte; sie war Richtung Flughafen gefahren. Dann dachte er: Vielleicht hat die Bombe gar nicht ihr gegolten; vielleicht war sie an dem Bombenanschlag beteiligt. Er versuchte, die vielen verschiedenartigen Elemente unter einen Hut zu bringen: den exzentrischen Hotelbesitzer… die geheimnisvolle Frau… die Gebäudeversicherung… den Sturz des alten Mannes auf der Treppe… den genialen Handwerker, der für ihn arbeitete… und all die Gerüchte, die er in den vergangenen zwei Wochen gehört hatte. Qwilleran spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoß. Daß er auf ihre Tricks hereingefallen war, war ihm so peinlich, daß er gar nicht klar denken konnte. Diese Frau hatte vielleicht seine Hütte geplündert! Vielleicht hatte sie die Katzen mitgenommen!
An der Lichtung angekommen, sprang er aus dem Auto, stürzte ins Haus und lief sofort ins Gästezimmer. Die Katzen lagen, von der Seeluft wie betäubt, noch immer da und schliefen. Dann ging er auf die Veranda zum See. Sie hatte ihren Strandhut, den Klappstuhl und drei Bücher aus der öffentlichen Bücherei dagelassen. Alle drei waren Kochbücher.
In der Küche waren auf einem Papierhandtuch feuchte Weinblätter ausgebreitet, und der Kochtopf, in dem sie gekocht worden waren, lag abgewaschen im Spülbecken; Salz- und Pfefferstreuer standen bereit; das Hackbrett und ein Messer warteten auf die Zwiebel; und aus dem Radio auf der Arbeitsplatte dröhnte laute Country-Musik. Gereizt schaltete er es aus.
Und erst jetzt wurde ihm klar, daß Onoosh in der Küche gearbeitet und dabei Radio gehört hatte, als die Meldung verlautbart wurde. Sie hatte alles stehen- und liegengelassen, ihre Reisetasche geschnappt und war zum Flughafen gefahren. Sie wußte, daß die Bombe ihr gegolten hatte. In der Hoffnung, daß sie ihm eine Nachricht hinterlassen hatte, durchsuchte er die Hütte, doch alles, was er fand, war eine Nummer auf dem Schreibblock neben dem Telefon. Sie kam ihm bekannt vor. Er wählte sie und war mit dem Flughafen verbunden. »Ist der siebzehn-Uhr-dreißig-Shuttle pünktlich gestartet?« fragte er.
»Ja, Sir.«
»Eine Frau hat versucht, ihn zu erreichen. Können Sie sich erinnern, ob eine Frau in einem schwarzen Hosenanzug an Bord ging?«
»Ja, Sir«, sagte der Angestellte, der in dem kleinen Flughafen sowohl die Tickets verkaufte als auch die Autos verlieh und sogar das Gepäck trug. »Sie hat einen Leihwagen zurückgegeben und ist dann zum Flugzeug gerannt. Hatte nicht mal Gepäck dabei. Ein Glück, daß wir noch einen Platz frei hatten. Am Freitagabend sind wir gewöhnlich ausverkauft.«
Jetzt glaubte Qwilleran zu verstehen. Ob sie nun Köchin war oder nicht, sie war auf der Flucht – oder versteckte sich – hatte Angst um ihr Leben. Bei allem Respekt vor
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