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Die Katze, die für Käse schwärmte

Die Katze, die für Käse schwärmte

Titel: Die Katze, die für Käse schwärmte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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verließ Mildred das Zimmer, die Musik wurde zu einem leisen Wimmern, und sie kehrte mit einem triumphierenden Lächeln zurück:
    »Und jetzt«, begann Qwilleran, »sag mir, wie viele hundert Pasteten ich heute probieren muß.«
    »Ich enttäusche dich nur ungern«, meinte sie fröhlich, »aber das Feld ist in der Vorausscheidung bereits auf fünfzehn Teilnehmer reduziert worden. Zuerst haben die Teig-Preisrichter etwa ein Drittel der Teilnehmer hinausgeworfen. Mir tun ja die Leute leid, die heute um vier Uhr früh aufgestanden sind und Pasteten gebacken haben, nur um dann gleich am Anfang auszuscheiden. Die nächste Gruppe von Richtern hat die Zutaten und die korrekte Zubereitung der Füllung kontrolliert. Kein Hackfleisch! Keine unzulässigen Gemüsesorten! Wir sind für die endgültige Beurteilung des Geschmacks und der Konsistenz zuständig.«
    »Wie viele Preisrichter haben schon an den Pasteten geknabbert, bevor wir sie bekommen?« fragte er.
    Bevor sie antworten konnte, schlurfte ein großer, schlaksiger junger Mann ins Zimmer. Er breitete die Arme weit aus und verkündete: »Wissen Sie was? Sie kriegen mich statt unserem lieben Küchenchef.«
    »Derek! Was ist mit Sigmund?« rief Mildred enttäuscht und etwas verärgert. Derek war schließlich nur Kellner.
    »Er ist auf einer sonnengetrockneten Tomate ausgerutscht und hat sich den Knöchel verstaucht. Der Oberkellner mußte beim Mittagessen einspringen, und die Hilfsköche arbeiten schon am Abendessen, also bleibt Ihnen nur noch der Lieblingskellner aller Gäste.«
    »Nun, ich bin sicher, du bist Spezialist für alles Eßbare«, sagte sie trocken. »Setzen wir uns alle an den Tisch und besprechen die Vorgangsweise. Zuerst werde ich ein paar Richtlinien vorlesen. Das Ziel dieses Wettbewerbs ist die Erhaltung und Förderung einer kulturellen Tradition und damit die Schaffung eines geistigen Bindeglieds zur Vergangenheit, die Würdigung einer Gaumenfreude, die es nur in dieser Region der Vereinigten Staaten gibt.«
    »Von wem ist das?« fragte Derek. »Ich verstehe nicht mal, was es bedeuten soll.«
    »Spielt keine Rolle. Probier’ einfach nur die Pasteten«, sagte sie scharf. Dann fuhr sie fort: »Die Pasteten dürfen nicht länger als dreißig Zentimeter sein und müssen den traditionellen Teig und die traditionellen Zutaten aufweisen.«
    »Was ist mit Kohlrüben?« fragte Qwilleran. »Ich habe gehört, die Anti-Kohlrüben-Aktivisten sind sehr lautstark.«
    »Wir verleihen zwei blaue Bänder – für Pasteten mit und ohne Kohlrüben.«
    »Ich muß gestehen: Ich hasse Kohlrüben«, sagte er. »Und Pastinak. Schon immer.«
    »Sei bei der Verkostung objektiv«, riet Mildred. »Eine wirklich gute Pastete ist mehr als die Summe ihrer Zutaten. Sie ist ein Kunstwerk, das nicht nur Kochkünste erfordert, sondern einen Willensakt darstellt!«
    »Okay, fangen wir an«, sagte Derek ungeduldig. »Ich bin kurz vorm Verhungern, und um vier Uhr beginnt mein Dienst.«
    Mildred öffnete die Tür und gab ein Zeichen, worauf die Pasteten ohne Kohlrüben hereingebracht wurden. Sie waren durch die Vorausscheidung auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Größe reduziert worden und wurden den Preisrichtern in mundgerechten Häppchen serviert. Ihre Kommentare waren kurz und bündig: »Zu viel Zwiebel… Ziemlich trocken… Sehr ausgewogen… Fade; zu wenig gewürzt… Zu viele Kartoffeln… Ausgezeichneter Geschmack.« Nachdem sie einige Pasteten ein zweites Mal gekostet hatten, wurde die Nummer 87 zum Gewinner in der Kategorie ohne Kohlrüben ernannt.
    Danach kam ein Tablett mit Pasteten, das mit einem ›K‹ für Kohlrüben gekennzeichnet war. Die beiden Männer lobten eine davon ganz besonders, doch Mildred kostete sie und sagte indigniert: »Das ist Truthahn! Dunkles Truthahnfleisch! Sie ist disqualifiziert. Wieso haben die anderen Preisrichter das übersehen?«
    Qwilleran sagte: »Aber sie verdient irgendeine Anerkennung. Ich entdecke einen brillanten Willensakt bei ihrer Zubereitung. Wer sie wohl gebacken hat?«
    »Ich wette, es war ein Mann«, sagte Derek.
    »Also, wir können sie nicht akzeptieren«, sagte Mildred fest. »Vorschrift ist Vorschrift, wenn man bei einem Wettbewerb als Preisrichter fungiert. Wir legen großen Wert auf Tradition, und die Tradition schreibt Rind- oder Schweinefleisch vor.«
    »Du kannst mir nicht einreden«, sagte Qwilleran, »daß die frühen Siedler nicht Pasteten mit Fleisch von wilden Truthähnen gemacht haben – oder von Wild oder Kaninchen

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