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Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman

Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman

Titel: Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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eine zu baldige Einladung würde sie noch ermutigen. In seiner gegenwärtigen finanziellen Lage mußte er vorsichtig sein. Früher hatten die Frauen seinen üppigen Schnurrbart attraktiv gefunden; jetzt fürchtete er, daß sie sein üppiges Bankkonto attraktiv fanden.
    Von Schuldgefühlen geplagt, ging er in das nächstgelegene Restaurant auf dem Schlemmer-Boulevard, zufällig ein japanisches Lokal. Der Raum, den er betrat, hatte Reispapierwände und war mit japanischen Kunstwerken geschmückt. Unter beleuchteten Baldachinen standen Hibachi-Tische für jeweils acht Personen mit einem großen Grill in der Mitte. Qwilleran wurde an einen Tisch geführt, an dem bereits vier Gäste saßen.
    Er ging oft allein essen und unterhielt sich dabei, indem er die anderen Gäste belauschte und sich Geschichten über sie ausdachte. An seinem Hibachi-Tisch saß ein junges Paar, das Tee aus henkellosen Tassen trank und über die Stäbchen kicherte. Der Mann war geradezu unerträglich zuvorkommend, und seine Begleiterin betrachtete immer wieder bewundernd ihren Ringfinger. Frisch verheiratet, entschied Qwilleran. Vom Land. Verbringen die Flitterwochen in der Großstadt. Sie bestellten Huhn, das zu den billigeren Speisen auf der Karte gehörte.
    Am anderen Ende des Tisches saßen zwei Männer in Anzügen, die Sake-Martinis tranken und ein Gericht mit Hummer, Steak und Shrimps bestellten. Sie waren auf Spesen hier, vermutete Qwilleran (er selbst wählte das Teriyaki-Steak, das preislich in der Mitte lag). Nach weiteren heimlichen Beobachtungen kam er zu dem Schluß, daß der Mann in dem maßgeschneiderten Anzug mit dem protzigen Goldschmuck den anderen Mann zum Essen eingeladen hatte. Sein Gast benahm sich ehrerbietig und trug einen Anzug von der Stange und ein Hemd, das am Hals zu weit war. Außerdem hatte er einen Verband an einem Ohr. Sie waren ein seltsames Paar – Chef und Untergebener, dachte Qwilleran, nach ihrem jeweiligen Verhalten zu schließen. Er hatte das Gefühl, dieses verbundene Ohr schon im Casablanca gesehen zu haben – in der Eingangshalle oder im Fahrstuhl. Plötzlich blickte der Mann in Qwillerans Richtung, sagte leise etwas zu seinem Gastgeber, worauf dieser sich umdrehte und zu dem Neuankömmling mit dem überdimensionalen Schnurrbart hinsah. All das beobachtete Qwilleran aus den Augenwinkeln und amüsierte sich königlich.
    Die Unterhaltung am Tisch verstummte, als der japanische Koch erschien – eine imposante Gestalt mit der sechzig Zentimeter hohen Mütze und dem ledernen Gürtel, in dem sein Messer steckte. Er verbeugte sich kurz, zog blitzschnell seine Stahlspatel heraus und begann sie sogleich gewandt zu schwingen wie ein Trommler in einem Symphonieorchester seine Schlegel. Sein Publikum sah sprachlos zu, wie er das aufgeschlagene Ei, das Häufchen kleingeschnittener Pilze und den Berg Reis bearbeitete. Steaks, Meeresfrüchte und Hühnerbrüste wurden zischend in Butter geschmort, mit würzigen Soßen übergossen und mit Wein flambiert. Dann zückte der Koch sein furchterregendes Messer, schnitt das Fleisch in Würfel und servierte das Essen auf grauen Tellern mit rauher Oberfläche. Mit einer knappen Verbeugung sagte er: »Ich wünsche einen schönen Abend«, und verschwand.
    Qwilleran war der einzige, der mit Stäbchen aß; er hatte als Auslandskorrespondent gelernt, sie virtuos zu handhaben.
    Die frischgebackene Ehefrau sah ihm bewundernd zu und sagte: »Sie können das aber gut.«
    »Ich habe geübt«, sagte er. »Sind Sie zum ersten Mal hier?«
    »Ja«, sagte sie. »Wir finden es toll, nicht wahr, Liebling?«
    »Ja, es ist toll«, sagte ihr Mann.
    Als Qwilleran aus dem Restaurant trat, war es dunkel, und er nahm vorsichtshalber ein Taxi. Jetzt, am Abend, war das Erdgeschoß des Casablanca menschenleer. Die meisten Bewohner saßen beim Abendessen oder vor dem Fernseher. Die Studenten machten ihre Hausaufgaben, und die Alten waren schon zu Bett gegangen.
    Qwilleran wartete auf Old Red. Die Tür ging auf, und heraus trat eine junge Frau, die nur eine Fata Morgana sein konnte! Sie hatte eine Figur wie ein Model und ein Gesicht wie ein Engel, was durch ihr unglaublich geschicktes Make-up noch unterstrichen wurde. Er starrte ihr nach und stellte fest, daß sie auch ging wie ein Model und Kleider trug, die sich wohl nur eine reiche Erbin leisten konnte. Er blies heftig in seinen Schnurrbart.
    Nachdem ihn Old Red in einer Wolke teuren Parfüms in den vierzehnten Stock befördert hatte, der eigentlich der

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