Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman
Und für sie war es eindeutig von Vorteil, wenn sie von der Bildfläche verschwand. Sogar ihr eigener Partner stimmte im Hinblick auf die Erhaltung des alten Gebäudes nicht mit ihr überein und beabsichtigte, mit der Galerie ins Gateway Alcazar überzusiedeln. Doch das alles erklärte nicht die Rolle von Ross Rasmus als Killer.
»Was meinst du, Koko?« fragte Qwilleran.
Der Kater hörte nicht zu. Er reckte den Hals und starrte in den Vorraum. Einen Augenblick später hämmerte jemand wie verrückt an die Eingangstür. Qwilleran lief hin und riß die Tür auf; vor ihm stand eine Frau mit irrem Blick, die Fäuste erhoben, um wieder an die Tür zu schlagen. Sie schrie: »Das Haus brennt!«
In dem Augenblick, als die Frau von vierzehn-B schrie: »Es brennt!« roch Qwilleran Rauch und hörte die Sirenen der Feuerwehrautos.
»Nicht den Aufzug nehmen!« rief sie und rannte in ihrem Frotteebademantel zum Treppenhaus.
Er stopfte die Katzen ohne viel Federlesens in ihren Tragekorb, schnappte sein Pyjamaoberteil und lief die Treppe hinunter; er vermutete, daß sich die Heizkessel bei ihrem Kampf gegen den bitterkalten Ostwind überhitzt hatten. In jedem Stockwerk schlossen sich weitere Hausbewohner dem Treck nach unten an, die meisten von ihnen murrend und quengelnd.
»Warum gehen wir eigentlich hinunter? Das Haus ist doch feuerfest«, protestierte einer.
»Mein Mann sieht sich im Fernsehen ein Fußballmatch an; er rührt sich nicht von der Stelle«, sagte eine Frau. »Ich sage: Soll er doch verbrennen!«
»Ich finde, es riecht nach angebranntem Huhn«, sagte eine andere.
»Haben Sie Feueralarm gegeben? Ich habe nichts gehört. Meine Nachbarin hat an die Tür geklopft. Eigentlich sollten sie in so einem Fall Feueralarm geben.«
»Ich wette zehn Dollar, daß die Gräfin nicht hinuntergeht.«
Als die ungehaltenen Flüchtlinge im Erdgeschoß ankamen, schwirrte es in der Eingangshalle nur so von besorgt oder verärgert erhobenen Stimmen, während Mrs. Tuttle versuchte, die Leute zu beruhigen. Sie waren ein bunter Haufen in den verschiedensten Bekleidungsstadien: Frauen mit Lockenwicklern und ohne Make-up, Männer in Nachthemden, unter denen behaarte Beine hervorsahen, alte Hausbewohner ohne ihr falsches Gebiß, kahlköpfige Mieter ohne ihr Toupet. Qwilleran fiel in seinem roten Pyjama auf. Ein paar Leute drückten kostbare Besitztümer oder schreiende Katzen an sich, und die beiden Siamkatzen in ihrem Tragekorb paßten sich der allgemeinen Stimmung an und maunzten und kreischten ebenfalls. Unter den Flüchtlingen war ein Mann in einem verwaschenen Baumwollbademantel, der aussah, als hätte er ihn aus einem Krankenhaus entwendet. Er hatte schütteres Haar, ein blasses Gesicht und einen weißen Fleck, wo eigentlich sein Ohr hätte sein sollen. Qwilleran erkannte den Mann aus dem japanischen Lokal, der am selben Hibachi-Tisch gesessen hatte.
Die spärlich bekleideten Hausbewohner hatten Glück, daß die Eingangshalle auf der warmen Seite des Gebäudes lag. Die Leute von der kalten Seite drohten, ihre Malratzen zu holen und auf dem Fußboden der Eingangshalle zu schlafen. Mrs. Tuttle bemühte sich heldenhaft, die Menschenmenge unter Kontrolle zu bringen.
Dann ging eine Aufzugtür auf, und Feuerwehrmänner in schwarzen Gummimänteln und Stiefeln, die in den Händen Äxte mit roten Griffen trugen, stiegen heraus. »Geht wieder schlafen, Leute«, sagten sie grinsend. »War nur ein verbranntes Huhn.«
Den Hausbewohnern wäre es lieber gewesen, wenn es wirklich gebrannt hätte.
»Was! Da bin ich nur wegen eines Huhns sechs Stockwerke heruntermarschiert?«
»Ich wußte, daß es ein Huhn war. Ich kenne den Geruch von verbranntem Huhn.«
»Irgend jemand hat es zum Auftauen in den Ofen gestellt, ist was trinken gegangen und hat es vergessen.«
»Wer immer das war, den sollten sie rauswerfen.«
»Die werden uns alle bald rauswerfen.«
Die Menge begann sich zu zerstreuen. Einige Leute stiegen in den Aufzug, andere gingen zum Treppenhaus, während wieder andere in der Eingangshalle blieben, froh über die Gelegenheit zu zwischenmenschlichen Kontakten.
Die Siamkatzen waren nach dieser rauhen Begegnung mit zornigen Hausbewohnern und schreienden Katzen verständlicherweise aufgeregt. Auch Qwilleran war unruhig und vielleicht ein wenig einsam, obwohl er es nicht zugegeben hätte. Er fand, es war zu spät für einen Anruf bei Polly, riskierte es aber bei Arch Riker. »Wie läuft es in Pickax?« fragte er seinen alten
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