Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman

Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman

Titel: Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
Vom Netzwerk:
und geschwollenen Beinen. Alle zusammen schufen sie eine Atmosphäre, die eine Mischung aus Busbahnhof und Krankenhauskorridor war.
    Die meisten Bewohner machten einen Sprung in den Postraum, sperrten ihre Briefkästen auf und sahen sich mit griesgrämiger Miene an, was sie dort vorfanden. Als Qwilleran in den überfüllten Raum kam, mußte er einem großen, kahlköpfigen Mann mit einem T-Shirt mit der Aufschrift ›Ferdie Le Bull‹ ausweichen. Dann stieß eine Frau mittleren Alters in einem paillettenbesetzten schwarzen Cocktailkleid, die mit besorgter Miene auf eine Handvoll Briefe schaute, mit ihm zusammen.
    »Entschuldigung«, murmelte er.
    »Hall-o-o-o!« sagte sie mit einer hellen Mädchenstimme und betrachtete anerkennend seinen Schnurrbart. »Wo hat man denn Sie bisher versteckt?«
    In Qwillerans Briefkasten war keine Post. Es war noch zu früh für Nachrichten von Polly, und die anderen Briefe wurden von seiner Teilzeit-Sekretärin abgefangen.
    Rupert stand herum, als erwarte er irgendeinen Notfall; seine rote Mütze leuchtete so auffällig wie ein Feuerlöscher. Mrs. Tuttle saß hinter ihrem Schreibtisch und strickte, behielt dabei aber die Technikstudenten stets im Auge. Und unter den Leuten, die auf den Aufzug warteten, stand Amber. Sie trug eine Tüte mit Lebensmitteln und sah müde aus.
    Qwilleran fragte sie: »Ist hier in der Nähe eine Schule für Ingenieure? Diese Jungen reden ständig über Brücken.«
    »Das sind angehende Zahnärzte«, sagte sie. »Qwill, darf ich Ihnen meinen Nachbarn aus dem achten Stock vorstellen, Courtney Hampton. Courtney, das ist Jim Qwilleran. Er hat Dis Wohnung im vierzehnten Stock.«
    Der junge Mann, den sie vorstellte, hatte eckige Schultern, schmale Hüften, und sein Anzug war der letzte Schrei. Er blickte auf Qwillerans Stiefel und Tweedjacke und sagte in näselndem Tonfall: »Frisch vom Land gekommen?«
    Amber sagte: »Courtney arbeitet bei Kipper & Fine, dem Herrenmodengeschäft. Was haben Sie den ganzen Tag gemacht, Qwill?«
    »Ich bin herumspaziert. Habe mich ein wenig orientiert. Es hat sich alles verändert.«
    »Das Casablanca kommt als nächstes dran«, prophezeite ihr Nachbar. »Packen Sie Ihre Sachen gar nicht erst aus. «
    »Was wohl heute abend im Fernsehen kommt?« seufzte Amber müde.
    »Falls es jemanden interessiert«, sagte Courtney und zog schwungvoll die Augenbrauen hoch, »wird meine Wenigkeit heute abend... Bridge spielen... und zwar mit der Gräfin.«
    »Gott, wie vornehm«, sagte Amber.
    Beide Fahrstühle kamen gleichzeitig an, die Menge wälzte sich in die Kabinen, und Qwilleran wurde von den beiden anderen getrennt. Old Green fuhr widerstrebend nach oben und vollführte in jedem Stockwerk ein schwerfälliges Ritual: Er kam holpernd zum Stillstand, öffnete lustlos seine Tür, um einen Fahrgast aussteigen zu lassen, wartete danach eine lange Minute, schloß seine Tür im Zeitlupentempo und kroch weiter zum nächsten Stock. Keiner sprach. Die Fahrgäste hielten gemeinsam den Atem an.
    Es war ein langer Tag gewesen, und Qwilleran war froh, zu Hause zu sein, doch als er die Tür von 14-A öffnete, schlug ihm glühende Hitze entgegen. Die Radiatoren zischten und ratterten, und beide Katzen lagen in voller Länge ausgestreckt auf dem Fußboden und keuchten.
    »Was ist passiert?« wollte er wissen. »Hier muß es über vierzig Grad sein!« Er suchte die Wohnung nach einem Thermostat ab, fand keinen und griff nach dem Haustelefon. »Mrs. Tuttle! Qwilleran, vierzehn-A. Was ist mit dem Heizofen? Das Fensterglas wird gleich schmelzen!«
    »Machen Sie die Fenster auf«, sagte sie ruhig. »Ihre Seite des Hauses heizt sich auf, wenn ein kalter Ostwind weht. Wir können nicht viel dagegen tun. Die Wohnungen an der Ostseite sind eiskalt, und der Heizofen läuft auf Hochtouren, um sie ein wenig zu heizen. Machen Sie einfach alle Fenster auf.«
    Er befolgte ihren Rat, und die Katzen erholten sich soweit, daß sie sich aufsetzen und ein wenig Nahrung in Form einer Dose roten Lachs zu sich nehmen konnten. Qwilleran hingegen beschloß auf der Stelle, zum Abendessen zu gehen. Ihm kam der Gedanke, daß er Amber einladen sollte. Sie hatte ausgesehen, als sei sie viel zu müde, um irgend etwas aus ihrer Lebensmitteltüte aufzutauen, und die Temperatur in ihrer Wohnung war vielleicht unerträglich, ob sie nun auf der eisigen oder auf der glühenden Seite des Gebäudes wohnte. Aber die Richtung, in die sich ihre Gespräche bewegten, behagte ihm nicht, und er dachte,

Weitere Kostenlose Bücher